Heft 
(1897) 12
Seite
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Ueber Land und Meer.

doch das Leben habe. Vor ihm, in den Park- bämnen, schlugen die Vögel, und ein Buchfink kam bis auf feinen Tisch und sah ihn an, ganz ohne Scheu. Das that ihm ungemeiu wohl.Etwas ganz besonders Schönes im Leben ist doch das Ver­trauen, und wenn's auch bloß ein Piepvogel is, der's einem entgegenbringt. Einige haben eine schwarze Milz und sagen: alles sei von Anfang an auf Mord und Totschlag gestellt. Ich kann es so schlimm nicht finden."

Engelke kam, um abzuräumen.Is ein schöner Tag heut," sagte Dubslav,und die Krokusse kom­men auch schon 'raus. Eigentlich Hab' ich nich ge­glaubt, daß ich so was Hübsches noch mal sehn würde. Und wenn ich dann denke, daß ich das alles der Buschen verdanke! Merkwürdige Welt! Sponholz hatte bloß immer seine grünen Tropfen, und Moscheles hatte nichts als seinen ewigen Torgelow, und nu kommt die Buschen, und mit einem Mal is es besser. Ja, wirklich merkwürdig. Und nu krieg' ich auch noch, wenn auch bloß leihweise, solchen hübschen Brief von einer hübschen jungen Frau. Noch dazu Schwiegertochter. Ja, Engelke, so gehts; nich zu glauben. Und'da hättst du vorhin den Buchfinken sehn sollen, wie mich der ansah. Bloß als du kamst, da flog er weg; er muß sich vor dir gegrault haben."

Ach, gnäd'ger Herr, vor mir grault sich keine Kreatur."

Will dir's glauben. Und du sollst sehn, heute haben wir 'neu guten Tag, und es kommt auch noch wer, an dem man sich freuen kann. Wie mir schlecht war, da kam Koseleger und die Prinzessin. Aber heute kam ein Buchfink. Und ich bin ganz sicher, der hat noch ein Gefolge."

-X-

Dnbslavs Ahnungen behielten recht; und als der Nachmittag da war, kam Lorenzen, der sich, seitdem der Alte seinen Katzenpfötchenthee trank, nur selten und immer bloß flüchtig hatte sehn lassen. Aber das war rein Zufällig und sollte nicht eine Mißbilligung darüber ausdrücken, daß sich der Alte bei der Buschen in die Kur gegeben.

Nun endlich," empfing ihn Dubslav, als Lorenzen eintrat.Wo bleiben Sied Da heißt es immer, wir Junker wären kleine Könige. Ja, wer's glaubt! Alle kleinen Könige haben ein Gefolge, das sich in Huldigungen und Purzelbäumen überschlägt. Aber von solchem Gefolge Hab' ich noch nicht viel gesehn. Barnch ist freilich hier gewesen und dann Koseleger und dann die Prinzessin, aber der, der so halb ex otlleio kommen sollte, der kommt nicht und schickt höchstens mal die Kulicke oder die Elsriede mit 'ner Anfrage. Sterben und verderben kann man. Und das heißt dann Seelsorge."

Lorenzen lächelte.Herr von Stechlin, Ihre Seele macht mir, trotz dieser Vernachlässigung, keine Sorge; sie zählt zu denen, die jeder Spezialempsehlung entbehren können. Lassen Sie mich sehr menschlich, ja beinahe für einen Pfarrer lästerlich sprechen. Aber ich muß es. Ich lebe nämlich der Ueberzeugung, der liebe Gott, wenn es mal so weit ist, freut sich,

Sie wiederzusehen. Ich sage, wenn es so weit ist. Aber es ist noch nicht so weit."

Ich weiß nicht, Lorenzen, ob Sie recht haben. Jedenfalls aber befind' ich mich in meinem derzeitig erträglichen Zustande nur mit Hilfe der Buschen, und ob mich das nach obenhin besonders empfehlen kann, ist mir zweifelhaft. Aber lassen wir die heikle Frage. Erzählen Sie mir lieber was recht Hübsches und Heiteres, auch wenn es nebenher etwas ganz Altes ist, etwa das, was man früher Miscellen nannte. Das ist mir immer das liebste gewesen und ist es noch. Was ich da so in den Zeitungen lese, voran das Politische, das weiß ich schon immer alles, und was ich von Engelke höre, das weiß ich auch. Beiläufig natürlich nur vom aller­egoistischsten Zeitungsleserstandpunkt aus ein wahres Glück, daß es Unglücksfälle giebt, sonst hätte man von der Zeitungslektüre so gut wie gar nichts. Aber Sie, Sie lesen auch sonst noch aller­lei, mitunter sogar Gutes (freilich nur selten), und haben ein wundervolles Gedächtnis für Räuber­geschichten und Anekdoten aus allen fünf Weltteilen. Außerdem sind Sie Friederikus-Rex-Mauu, was ich Ihnen eigentlich am höchsten anrechne, denn die Friede- rikns-Rex-Leute, die haben alle Herz und Verstand auf dem rechten Fleck. Also suchen Sie nach irgend was der Art, nach einer alten Zieten- oder Blücher­anekdote, kann meinetwegen auch Wrangel sein ich bin dankbar für alles. Je schlechter es einein geht, je schöner kommt einem so was kavalleristisch Frisches und Uebermntiges vor. Ich spiele mich persönlich nicht auf Heldentum aus, Renommieren ist ein elendes Handwerk; aber das darf ich sagen: ich liebe das Heldische. Und Gott sei Dank kommt dergleichen immer noch vor."

Gewiß kommt so was immer noch vor. Aber, Herr von Stechlin, all dies Heldische..."

Nun aber, Lorenzen, Sie werden doch nicht gegen das Heldische sein? So weit sind Sie doch noch nicht!"

Beinah'."

Hören Sie, dann werd' ich aber ernstlich böse."

Das werden Sie nicht. Dazu sind Sie viel zu gut."

Sie wollen mich einfangen. Aber diesmal glückt es nicht. Was haben Sie gegen das Heldische?"

Nichts, Herr von Stechlin, gar nichts. Im Gegenteil. Heldentum ist gut und groß. Und unter Umständen ist es das allergrößte. Lasse mir also den Heroenkultus durchaus gefallen, das heißt, den echten und rechten. Aber was Sie da von mir hören wollen, das ist, Verzeihung für das Wort, ein Heldentum zweiter Güte. Nt ein Heldentum soll heißen, was ich für Heldentum halte verläuft still, unsichtbar, unhörbar. Das gehört recht eigentlich mit dazu: nicht davon hören. Aber freilich, wem: die Welt dann ausnahmsweise davon hört, dann horch' ich mit auf, und noch ganz anders wie ein Kavalleriepserd, das die Trompete hört."

Gut. Meinetwegen. Aber Beispiele."

Kann ich geben. Da sind zunächst die fana­tischen Erfinder, die nicht Massen von ihrem Ziel,