Heft 
(1897) 12
Seite
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Weöer Land und Weer.

regieren zu wollen; in der Regel aber macht er einen leidlich ehrlichen Versuch, als Neugestalter auf­zutreten, und holt ein Volksbeglückungsprogramm auch wirklich aus der Tasche. Nur nicht auf lange. ,Leicht bei einander wohnen die Gedanken, doch eng im Raume stoßeil sich die Sachen? Und nach einem halben Jahre lenkt der Neuerer wieder in alte Bahnen und Geleise ein."

Und so wird es Woldemar auch machend"

So wird es Woldemar auch machen. Wenigstens wird ihn die Lust dazu auwandeln."

Und diese Lust werden Sie natürlich bekämpfen. Sie haben ihm in den Kopf gesetzt, daß etwas durchaus Neues kommen müsse. Sogar ein neues Christentum."

Ich weiß nicht, ob ich so gesprochen habe; aber wenn ich so sprach, dies neue Christentum ist ge­rade das alte."

Glauben Sie das?"

Ich glaub' es. Und was besser ist: ich fühl' es."

Nun gut, das mit dem neuen Christentum ist Ihre Sache; da will ich Ihnen nicht Hineinreden. Aber das andre, da müssen Sie mir was ver­sprechen. Besinnt er sich, und kommt er Zu der All­sicht, daß das alte Preußen mit König und Armee, trotz all seiner Gebresten und altmodischen Geschichten, doch immer noch besser ist als das vom neuesten Datum, und daß wir Alten vom Cremmer-Damm und Fehr- bellin her, auch wenn es uns selber schlecht geht, immer noch mehr Herz für die Torgelowschen im Leibe haben als alle Torgelows Zusammengenommen, kommt es zu solcher Rückbekehrung, dann, Lorenzen, stören Sie diesen Prozeß nicht. Sonst erschein' ich Ihnen. Pastoren glauben zwar nicht an Gespenster, aber wenn welche kommen, graulen sie sich auch."

Lorenzen legte seine Hand auf die Hand Dubslavs und streichelte sie, wie wenn er des Alten Sohn gewesen lväre.Das alles, Herr von Stechlin, kann ich Ihnen gern versprechen. Ich habe Woldemar erzogen, als es mir oblag, und Sie haben in Ihrer Klugheit und Güte mich gewähren lassen. Jetzt ist Ihr Sohn ein vornehmer Herr und hat die Jahre. Sprechen hat seine Zeit, und Schweigen hat seine Zeit. Aber wenn Sie ihn und mich von oben her unter Kontrolle nehmen und eventuell mir erscheinen wollen, so schieben Sie mir dabei nicht zu. waS mir nicht zukommt. Nicht ich werde ihn führen. Dafür ist gesorgt. Die Zeit wird sprechen, und neben der Zeit das neue Haus, die blasse junge Frau und vielleicht auch die schöne Melusine."

Der Alte lächelte.Ja, ja."

XIAI.

So ging das Gespräch. Und als Lorenzen auf­brach, fühlte sich der Alte wie belebt und versprach sich eine gute Nacht mit viel Schlaf und wenig Beängstigung.

Aber es kam anders; die Nacht verlief schlecht, und als der Morgen da war und Engelke das Früh­stück brachte, sagte Dubslav:Engelke, schaff die Wabe weg; ich kann das süße Zeug nicht mehr sehn. Krippenstapel hat es gut gemeint. Aber es

is nichts damit und überhaupt nichts mit der ganzen Heilkraft der Natur."

Ich glaube doch, gnäd'ger Herr. Bloß gegen die Gegenkraft kann die Wabe nich an."

Du meinst also: ,für 'n Tod kein Kraut ge­wachsen ist? Ja, das wird es wohl sein; das mein' ich auch."

Engelke schwieg.

Eine Stunde später kam ein Brief, der, trotz­dem er aus nächster Nähe stammte, doch durch die Post befördert worden war. Er war von Erinyn- trud, behandelte die durch Koseleger und sie selbst geplante Gründung eines Rettungshauses für ver­wahrloste Kinder und äußerte sich am Schlüsse dahin, daß,wenn sich (hoffentlich binnen kurzem) ihre ! Wünsche für Dubslavs fortschreitende Gesundheit ^ erfüllt haben würden", Agnes, das Enkelkind der ! alten Buschen, als erste sittlich zu Heilende in das ! Asyl ausgenommen werden möchte.

Dubslav drehte den Brief hin und her, las noch einmal und sagte dann:O, diese Komödie . . . ,wenn sich meine Wünsche für Ihre fortschreitende Gesundheit erfüllt haben werden' ... das heißt doch einfach, ,wenn Sie sich demnächst den Nasen von unten ansehn? Alle Menschen sind Egoisten, Prin­zessinnen auch, und sind sie fromm, so haben sie noch einen ganz besondern Jargon. Es mag so bleiben, es war immer so. Wenn sie nur ein bißchen mehr Vertrauen zu dem gesunden Menschenverstand andrer hätten."

Er steckte, während er so sprach, den Brief wieder in das Couvert und rief Agnes.

Das Kind kam auch.

Agnes, gefällt es dir hier?"

Ja, gnäd'ger Herr, es gefällt mir hier."

Und ist dir auch nicht Zu still?"

Nein, gnäd'ger Herr, es ist mir auch nicht zu still. Ich möchte immer hier sein."

Na, du sollst auch bleiben, Agnes, so lang es geht. Und nachher. Ja, nachher..."

Das Kind kniete vor ihm nieder und küßte ihm die Hände.

Dubslavs Zustand verschlechterte sich schnell. Engelke trat an ihn heran und sagte:Gnäd'ger Herr, soll ich nicht in die Stadt schickend"

Nein."

Oder zu der Buschend"

Ja, das thu. So 'ne alte Hexe kann es immer noch am besten."

In Engelkes Augen traten Thränen.

Dubslav, als er es sah, schlug rasch einen andern Ton au.Nein, Eugelke, graule dich nicht vor deinem alten Herrn. Ich habe es bloß so hiugesagt. Die Buschen soll nich kommen. Es würde mir wohl auch nicht viel schaden, aber wenn man schon so in sein Grab sieht, dann muß mau doch anders sprechen, sonst hat man schlechte Nachrede bei den Leuten. Und das möcht' ich nich, um meinetwegen nich und um Woldemars wegen nich . . . Und dabei fällt mir auch noch Adelheid ein . . . Die käme mir am Ende