Heft 
(1897) 12
Seite
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Hieß er Land und Meer.

Mitteilsamkeit entsprach. Er erzählte von dem Be­gräbnis und wer vom Grafschaftsadel alles dagewesen sei. Dann kam Thormeyer an die Reihe, dann Katzen­stein und die Domina und Zuletzt auchlütt Agnes".

Des Kindes müssen wir uns annehmen," sagte Armgard.

Wenn du darauf dringst, gewiß. Aber es liegt schwieriger damit, als du denkst. Solche Kinder, ganz im Gegensatz Zur Pädagogenschablone, muß man sich selbst überlassen. Der gefährlichere Weg, wenn überhaupt was Gutes in ihnen steckt, ist jedesmal der bessere für sie. Dann bekehren sie sich aus sich selbst heraus. Wenn aber irgend ein Zwang diese Bekehrung schaffen will, so wird meist nichts draus. Da werden nur Heuchelei und Ziererei geboren. Eigner, freier Entschluß wiegthundert Erziehnngsmaximen aus."

Armgard stimmte zu. Krippenstapel aber fuhr in seinem Berichte fort und erzählte von Kluckhuhn, von Uncke, von Elfriede; Spanholz werde in der nächsten Woche zurückerwartet, Koseleger und die Prinzessin seien ein Herz und eine Seele, besonders und das sei das neueste seit man für ein Nettnngshaus sammle. Seitens des Adels werde fleißig dazu beigesteuert; nur Molchow habe sich ge­weigert:so was schaffe nur Konfusion".

Um zwei traf man in Schloß Stechlin ein. Woldemar durchschritt die verödeten Räume, verweilte kurze Zeit in dem Sterbezimmer und ging dann in die Kirchengruft, um da den Kranz an des Vaters Sarge niederzulegen.

Am späten Nachmittag erschien auch Lorenzen und sprach zunächst sein Bedauern aus, daß er einer Amtshandlung halber (Kossäth Rohrbeck habe sich wieder verheiratet) nicht habe kommen können. Er blieb dann noch den Abend über und erzählte vielerlei, Zuletzt auch von dem, was er dem Alten feierlich habe versprechen müssen.

Woldemar lächelte.Die Zukunft liegt also bei dir."

Und dabei reichte er Armgard die Hand.

XUVI.

Armgard hatte sich von der im Stechliner Hause herrschenden Weltabgewandtheit angeheimelt gefühlt. Aber der Gedanke, hier ihre Tage zu verbringen, lag ihr vorderhand doch noch fern, und so kehrte sie denn, kurz nach Ablauf einer Woche, nach Berlin Zurück, wo mittlerweile Melusine für alles gesorgt und eine ganz in Nähe von Woldemars Kaserne ge­legene Wohnung gemietet und eingerichtet hatte.

Das war am Belle-Allianceplatz. Als das junge Paar diese Wohnung bezog, ging die Saison bereits aus die Neige. Die Frühjahrsparaden nahmen ihren Anfang und gleich danach die Wettrennen, an denen Armgard voller Interesse teilnahm. Aber ihre Freude daran war doch geringer als sie geglaubt hatte. Weder das Großstädtische noch das Militärische, weder Sport noch Kunst behauptete dauernd den Reiz, den sie sich anfänglich davon versprochen, und ehe der Hochsommer heran war, sagte sie:Laß mich's dir gestehn, Woldemar, ich sehne mich einigermaßen nach Schloß Stechlin."

Er hätte nichts Lieberes hören können. Was Armgard da sagte, war ihm aus der eignen Seele gesprochen. Liebenswürdig und bescheiden wie er war, stand ihm längst fest, daß er nicht berufen sei, jemals eine Generalstabsgröße zu werden, während das alte märkische Junkertum, von dem frei zu sein er sich eingebildet hatte, sich mehr und mehr in ihm zu regen begann. Jeder neue Tag rief ihm Zu:Die Scholle daheim, die dir Freiheit giebt, ist doch das beste." So reichte er denn seine Demission ein. Man sah ihn ungern scheiden, denn er war nicht bloß wohlgelitten an der Stelle, wo er stand, sondern überhaupt beliebt. Man gab ihm, als sein Scheiden unmittelbar bevorstand, ein Abschiedsfest, und der ihm besonders wohlwollende Kommandeur des Regiments sprach in seiner Rede von denschönen, gemeinschaftlich durchlebteil Tagen in London und Windsor".

All die Zeit über waren natürlich auch die von solcher Uebersiedlung unzertrennlichen kleinen Mühen und Sorgen an das junge Paar herangetreteu. Unter diesen Sorgen Lizzi hatte abgelehnt, weil sie die große Stadt und dieBildung" nicht missen mochte war das Ausfindigmachen einer Kamnier- jnngfer mit in erster Reihe gewesen. Es traf sich aber so glücklich, daß Portier Hartwigs hübsche Nichte mal wieder außer Stellung war, und so wurde diese denn engagiert. Melusine leitete die Verhandlungen mit ihr.Ich weiß freilich nicht, Hedwig, ob es Ihnen da draußen gefallen wird. Ich hoff' es aber. Und Sie werden jedenfalls zweierlei nicht haben: keinen Hängeboden und keinen ,Ankratzy wie die Leute hier sagen. Oder doch nicht mehr davon, als Ihnen vielleicht lieb ist."

Ach, das ist nicht viel," versicherte Hedwig halb schäm-, halb schalkhaft.

Am 21. September wollte das junge Paar in Stechlin einziehen und alle Vorbereitungen dazu waren getroffen: Schulze Kluckhuhn trommelte sämt­liche Kriegervereine zusammen (die Düppelstürmer natürlich am rechten Flügel), während Krippenstapel sich mit Tucheband über ein Begrüßungsgedicht einigte, das von Rolf Krakes ältester Tochter gesprochen werden sollte. Die Globsower gingen noch einen Schritt weiter und bereiteten eine Rede vor, darin der neue junge Herr als einer derIhrigen" be­grüßt werden sollte.

Das alles galt dem Einundzwanzigsten.

Am Tage vorher aber traf ein Brief MelusinenS bei Lorenzen ein, an dessen Schluß es hieß:

Und nun, lieber Pastor, noch einnial das eine. Morgen früh zieht das junge Paar in das alte Herrenhaus ein, meine Schwester und mein Schwager. Erinnern Sie sich bei der Gelegenheit unsers in den Weihnachtstagen geschlossenen Paktes: es ist nicht nötig, daß die Stechline weiterleben, aber es lebe

der Stechlin.