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Weöer Land und Meer.
Ja, der alte Dubslav freute sich des Kindes. Aber so wohlthuend ihm seine Gegenwart war, so war es auf die Dauer doch nicht viel was andres, als ob ein Goldlack am Fenster gestanden oder ein Zeisig gezwitschert hätte. Sein Auge richtete sich gerne daraus, als aber eine Woche und dann eine zweite vorüber war, wurd' ihm eine gewisse Verarmung fühlbar, und das so stark, daß er fast mit Sehnsucht an die Tage zurückdachte, wo Schwester Adelheid sich ihm bedrücklich gemacht hatte. Das war sehr unbequem gewesen, aber sie besaß doch nebenher einen guten Verstand, und in allem, was sie sagte, war etwas, worüber sich streiten und ein Feuerwerk von Anzüglichkeiten und kleinen Witzen abbrennen ließ. Etwas, was ihm immer eine Hauptsache war. Dubslav zählte zu den Friedliebendsten von der Welt, aber er liebte doch andrerseits auch Friktionen, und selbst ärgerliche Vorkommnisse waren ihm immer noch lieber als gar keine.
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Kein Zweifel, der alte Schloßherr auf Stechlin sehnte sich nach Menschen, und da waren es denn wahre Festtage, wenn Besucher aus Näh' oder Ferne sich einstellten.
Eines Tages — es schummerte schon — erschien Krippenstapel. Er hatte seinen besten Rock angezogen und hielt ein übermaltes Gesäß, mit einem Deckel darauf, in seinem linken Arm.
„Nun, dgs ist recht, Krippenstapel. Ich freue mich, daß Sie mal nachsehn, ob unser Museum oben noch seinen ,Ehest hat. Ich sage,Ehest. Der Direktor sind Sie ja selber. Und nun kommen Sie auch gleich noch mit 'ner Urne. Hat gewiß Ihr Freund Tucheband irgendwo ausgegraben. Oder is es bloß 'ne Terrine? Himmelwetter, Krippenstapel, Sie werden mir doch nich 'ne Krankensuppe gekocht habend"
„Nein, Herr Major, keine Krankensuppe. Gewiß nicht. Und doch is es einigermaßen so was. Es ist nämlich 'ne Wabe. Habe da heute mittag einen von meinen Stöcken ausgenommen und wollte mir erlaubt haben, Ihnen die beste Wabe zu bringen. Es ist beinah' so was wie der mittelalterliche Zehnte. Der Zehnte, wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf, war eigentlich was Feineres als Geld."
„Find' ich auch. Aber die heutige Menschheit hat für so was Feines gar keinen Sinn mehr. Immer alles bar und nochmal bar. O, das gemeine Geld! Das heißt, wenn man keins hat; wenn man's hat, ist es so weit ganz gut. Und daß Sie gleich an Ihren alten Patron — ein Wort, das vielleicht zu hoch gegriffen ist — gedacht haben! Lorenzen wird es hoffentlich nicht übel nehmen, daß ich Sie so gleichsam avancieren lasse. Ja, das mit der Wabe. Freut mich aufrichtig. Aber ich werde mich wohl nicht drüber hermachen dürfen. Immer heißt es: ,das nicht'. Erst hat mir Spanholz alles verboten und nu die Buschen, und so leb' ich eigentlich bloß noch von Bärlapp und Katzenpfötchen."
„Am Ende geht es doch," sagte Krippenstapel. „Ich weiß wohl, in eine richtige Kur darf der Laie nicht eingreifen. Aber der Honig macht viel
leicht 'ne Ausnahme. Richtiger Honig ist wie gute Medizin und hat die ganze Heilkraft der Natur."
„Is denn aber nicht auch was drin, was besser fehlte?"
„Nein, Herr Major. Ich sehe die Bienen oft schwärmen und sammeln, und seh' auch, wie sie sammeln und wo sie sammeln. Da sind voran die Linden und Akazien und das Heidekraut. Nu, die sind die reine Unschuld; davon red' ich gar nicht erst. Aber nun sollten Sie die Biene sehn, wenn sie sich auf eine giftige Blume, sagen wir zum Beispiel auf den Venuswagen niederläßt. Und in jedem Venuswagen, besonders in dem roten (aber doch auch in dem blauen), sitzt viel Gift."
„Kann ich mir denken."
„Und wie sammelt da die Biene? Sie nimmt nie das Gift, sie nimmt immer bloß die Heilkraft."
„Na, Sie müssen es wissen, Krippenstapel. Und aus Ihre Verantwortung hin will ich mir den Honig auch schmecken lassen, und die Buschen muß sich drin finden und wohl oder übel zufrieden geben. Uebrigens fällt mir bei der Alten natürlich auch das Kind ein. Da sitzt es am Fenster. Na, komm mal her, Agnes, und sage, daß du hier auch was lernst. Ich Hab' ihr nämlich Bücher gegeben, mit allerlei Bildern drin, und seit vorgestern auch eine Götterlehre, das heißt aber noch aus guter, anständiger Zeit und jeder Gott ordentlich angezogen. Und da lernt sie, glaub' ich, ganz gut. Nicht wahr, Agnes?"
Agnes knickste und ging wieder auf ihren Platz.
„Und dann Hab' ich dem Kind auch unfern Dragoner und die Mühle gegeben. Also unsre besten Stücke, so viel ist richtig. Ich denke mir aber, mein Museumsdirektor wird über diesen Eingriff nicht böse sein. Eigentlich is es doch besser, das Kind hat was davon als die Spinnen. Und was macht denn Ihr Oberlehrer in Templin? Hat er wieder was gefunden?"
„Ja, Herr Major. Münzensund."
„Na, das is immer das beste. Vermutlich Georgsthaler oder so was; Dreißigjähriger Krieg. Es war ja 'ne gräßliche Zeit. Aber daß sie damals aus Angst und Not so viel verbuddelt haben, das is doch auch wieder ein Segen. Is es denn viel?"
„Wie man's nehmen will, Herr Major; praktisch und profan angesehen ist es nicht viel, aber wissenschaftlich angesehen ist es allerdings viel. Nämlich drei römische Münzen, Zwei von Diokletian und eine von Caracalla."
„Na, die passen wenigstens. Diokletian war ja wohl der mit der Christenverfolgung. Aber ich glaube, es war am Ende nicht so schlimm. Verfolgt wird immer. Und mitunter sind die Verfolgten obenauf."
Dabei lachte der Alte. Dann rief er Engelke, daß er den Honig herausnehme. Krippenstapel aber verabschiedete sich, seine leere Terrine vorsichtig im Arm.
XTI.
Dubslav hatte sich über Krippenstapels Besuch und sein Geschenk aufrichtig gefreut, weil es ja das Beste war, was ihm die alte, treue Seele