Heft 
(1897) 12
Seite
235
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Zugegeben. Aber was schadet das? Jtalie- nisieren Sie sich und schreiben Sie sich von morgen ab Ciacco. Dann sind Sie dem Ghiberti trotz seiner Grasenschaft dicht auf den Hacken."

Sapristi, Rex, e'osk uns iäee."

xuv.

Das junge Paar war, nach geplantem kurzen Aufenthalt erst in Amalfi und dann in Sorrent, in Capri angekommen. Woldemar fragte nach Briefen, erfuhr aber, daß nichts eingegangen.

Armgard schien verstimmt.Melusine läßt sonst nie warten."

Das hat dich verwöhnt. Sie verwöhnt dich überhaupt."

Vielleicht. Aber, so dir's recht ist, darüber später einmal; für solche Geständnisse sind wir doch eigentlich noch nicht lange genug verheiratet. Wir sind ja noch in den Flitterwochen."

Woldemar beschwichtigte.Morgen wird ein Brief da sein. Schließen wir also Frieden, und steigen wir, wenn dir's paßt, nach Anacapri hinauf. Oder wenn du nicht steigen magst, bleiben wir, wo wir sind, und suchen uns eine gute Aussichtsstelle."

Es war auf dem Frontbalkon ihres am mittleren Abhang gelegenen Albergo, daß sie dies Gespräch führten, und weil die Mühen und Anstrengungen der letzten Tage ziemlich groß gewesen waren, war Armgard willens, für heute wenigstens auf Ana- eapri zu verzichten. Sie begnügte sich, mit Woldemar auf das Flachdach hinanfzusteigen, und verlebte da, angesichts der vor ihnen ansgebreiteten Schönheit, eine glückliche Stunde. Von Sorrent kamen Fischer­boote herüber, und der Himmel war klar und blau; nur drüben aus dem Kegel des Vesuvs stieg ein dünner Rauch auf, und von Zeit zu Zeit war es, als vernähmen sie ein dumpfes Rollen und Grollen.

Hörst du's?" fragte Armgard.

Gewiß. Und ich weiß auch, daß man einen Ansbruch erwartet. Vielleicht erleben wir's noch."

Das wäre herrlich."

Und dabei", fuhr Woldemar fort,komm' ich von der eiteln Vorstellung nicht los, daß, wenn's da drüben ernstlich anfängt, ans unserm Stechlin der Wasserstrahl aufsteigt. Es ist doch eine vor­nehme Verwandtschaft."

Armgard nickte, und von der Uferstelle her, wo die Sorrentiner Fischer eben anlegten, klang es herauf:

I>6 AioriN son olis Xin3, oNs XMa,

In Istto ns ss st3 . . .

Am andern Tage, wie vorausgesagt, kam ein Brief von Melusine, diesmal aber nicht an die Schwester, sondern an Woldemar adressiert.

Was ist?" fragte Armgard, der die Bewegung nicht entging, die Woldemar, während er las, Zn bekämpfen suchte.

Lies selbst."

Und damit gab er ihr den Brief.

An ein Eintreffen in Stechlin, um noch der Beisetzung beiwohnen zu können, war längst nicht mehr

zu denken; der Begräbnistag lag Zurück. So kam man denn überein, die Rückreise langsam, in Etappen über Rom, Mailand und München Zn machen, aber an jedem Orte (denn beide sehnten sich heim) nicht länger als einen Tag verweilen Zn wollen. Von Capri nahm Woldemar ein einziges Andenken mit, einen Kranz von Lorbeer und Oliven.Den hat er sich verdient."

Die letzte Station war Dresden, und von hier aus war es denn auch, daß Woldemar ein paar kurze Zeilen an Lorenzen richtete.

Lieber Lorenzen. Seit einer halben Stunde sind wir in Dresden, und ich schreibe diese Zeilen angesichts des immer wieder schönen Bildes von der Terrasse aus, das auch auf den Verwöhntesten noch wirkt. Wir wollen morgen in aller Frühe von hier fort, sind um zehn in Berlin und um Zwölf in Gransee. Denn ich will zunächst unser altes Stechlin Wiedersehen und einen Kranz am Sarge uiederlegen. Bitte, sorgen Sie, daß mich ein Wagen ans der Station erwartet. Wenn ich auch Sie persönlich träfe, so wäre mir das das Erwünschteste. Es plaudert sich unterwegs so gut. Und von wem könnt' ich mehr und zugleich Zuverlässigeres erfahren, als von Ihnen, der Sie die letzten Tage mit durchlebt haben werden. Meine Frau grüßt herzlichst. Wie immer Ihr alter, treu und dankbar ergebenster Woldemar v. St."

Um zwölf hielt der Zug auf Bahnhof Gransee. Woldemar sah schon vom Coupe aus den Wagen; aber statt Lorenzen war Krippenstapel da. Das war ihm Zunächst nicht angenehm, aber er nahm es bald von der guten Seite.Krippenstapel ist am Ende noch besser, weil er unbefangener ist und mit manchem weniger zurückhält. Lorenzen, wenn er dies Wort auch belächeln würde, hat einen diplo­matischen Zug."

In diesem Angenblick erfolgte die Begrüßung mit dem inzwischen herangetretenenBienenvater", und alle drei bestiegen den Wagen, dessen Verdeck zurückgeschlagen war. Krippenstapel entschuldigte Lorenzen,er habe eine Trauung", und so wäre denn alles vorzüglich gewesen, wenn unser treff­licher alter Mnseumsdirektor nur vor Antritt seiner Fahrt nach Bahnhof Gransee von einer Heraus­besserung seines äußeren Menschen Abstand genommen hätte. Das war ihm aber unzulässig erschienen, und so saß er denn jetzt dem jungen Paare gegenüber, an- gethan mit einem Schlipsstreifen und einem großen Chemisettevorban. Der Schlips war so schmal, daß nicht bloß der zur Befestigung der Vatermörder dienende Hemdkragen in feiner ganzen Höhe sicht­bar wurde, sondern leider auch der aus einem keilartigen Ausschnitt hervorlugende Adamsapfel, der sich, wie ein Ding für sich, beständig hin und her bewegte. Die Verlegenheit Armgards, deren Blick sich, sehr gegen ihren Willen, unausgesetzt auf dies Naturspiel richten mußte, wäre denn sicherlich auch höchst bedrohlich gewachsen, wenn nicht Krippen- ftapels unbefangene Haltung schließlich über alles wieder hinweggeholfen hätte.

Dazu kam noch, daß seiner Unbefangenheit seine