Heft 
(1897) 12
Seite
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Stechlin.

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bringen konnte. Er bestand denn auch darans (trotzdem Engelke, der ein Vorurteil gegen alles Süße hatte, dagegen war), daß ihm die Wabe jeden Morgen auf den Frühstückstisch gestellt werde.

Siehst du, Engelke," sagte er nach einer Woche, daß ich mich wieder wohler fühle, das macht die Wabe. Wenn es nich der Honig ist, dann ist es das Wachs. Denn man muß alles mitessen, das hat er mir eigens gesagt. Und is auch ganz richtig. Das is g'rade so, wie beim Apfel die Schale; das hat die Natur so gewollt und is ein Fingerzeig und muß respektiert werden."

Ich bin aber doch für abschälen," sagte Engelke. Wenn man so sieht, was mitunter alles dran ist..."

Ja, Engelke, du bist jetzt so fein geworden. Aber ich, ich bin noch ganz altmodisch. Und dann glaub' ich auch wirklich, daß in dem Wachs die richtige »gesamte Heilkraft der Natur' steckt, noch mehr als in dem Honig. Krippenstapel is jetzt auch so furchtbar gebildet und hat so viel feine Wendungen wie die mit dergesamten Heilkraft". Aber so fein wie du is er doch noch lange nicht, darauf will ich mich verschwören. Und auch darauf, daß er sich keine Birnen schält."

In dieser guten Laune verblieb Dubslav eine ganze Weile, sich mehr und mehr zurechtlegend, daß er sich die Quälerei mit all dem andern Zeug eigent­lich hätte sparen können;denn wenn alles drin ist, so ist doch auch Bärlapp und Katzenpfötchen drin und natürlich auch Fingerhut." Engelke wollte von diesen Sophistereien nichts wissen, sein Herr aber ließ sich durch solche Zweifel nicht stören, fuhr vielmehr fort: Und dann, Engelke, macht es doch auch einen Unter­schied, von wem eine Sache kommt. Die Katzen­pfötchen kommen von der Buschen, und die Wabe kommt von Krippenstapel. Das heißt also, hinter der Wabe steht ein guter Geist, und hinter den Katzen­pfötchen steht ein böser Geist. Und das kannst du mir glauben, an solchen Rätselhaftigkeiten hängt sehr viel im Leben, und wenn mir Lorenzen seine Patsche giebt, so ist das ganz was andres, wie wenn mir Koseleger seine Hand giebt. Koseleger hat solche weichen Finger und auf dem vierten einen großen Ring."

Aber er is doch ein Suprindent."

Ja, Superintendent is er. Und er kommt auch noch höher. Und wenn es nach der Prinzessin geht, wird er Papst. Und dann wollen wir uns Ablaß bei ihm holen, aber viel geb' ich nicht."

Als Dubslav und Engelke dies Gespräch führten, saß Agnes wie gewöhnlich am Fenster, mit halbem Ohre hinhörend, und so wenig sie davon verstand, so verstand sie doch gerade genug. Krippenstapel war ein guter Geist, und ihre Großmutter war ein böser Geist. Aber das alles war ihr nicht mehr, als ob ihr ein Märchen erzählt würde. Sie hatte schon so vieles in ihrem Leben gehört und war wohl dazu bestimmt, noch viel, viel andres zu hören. Ihr Gesichtsausdruck blieb denn auch derselbe. Sie träumte bloß so hin, und daß sie dies Wesen hatte, das war es recht

eigentlich, was den alten Herrn so fesselte. Das Auge, womit sie die Menschen ansah, war anders als das der andern.

Engelke hatte sich in die nebenan gelegene Dienst- stnbe zurückgezogen; ein Heller Schein fiel von der Veranda her durch die Balkonthür und gab dem etwas dunkeln Zimmer mehr Licht, als es für ge­wöhnlich zu haben pflegte. Dubslav hielt die Kreuz- zeitnng in Händen und schlug nach einem Brummer, der ihn immer und immer wieder umsummte.Ver­dammte Bestie," und er holte von neuem aus. Aber ehe er zuschlagen konnte, kam Engelke und fragte, ob Uncke den gnädigen Herrn sprechen dürfe.

Uncke? Unser alter Uncke?"

Ja, gnäd'ger Herr."

Nu, natürlich. Kriegt man doch mal wieder 'nen vernünftigen Menschen zu sehn. Was er nur bringen mag? Vielleicht Verhaftung irgendwo; Demokratennest ausgenommen."

Agnes horchte. Verhaftung! Demokratennest ausgenommen! Das war doch noch besser als ein Märchenvom guten und bösen Geist".

Inzwischen war Uncke eingetreten, Backenbart und Schnurrbart, wie gewöhnlich, fest angeklebt. In Nähe der Thür blieb er stehen und grüßte militärisch. Dubslav aber rief ihm zu:Nein, Uncke, nicht da. So weit reicht mein Ohr nicht und meine Stimme erst recht nicht. Und ich denke doch, Sie bringen was. Was Reguläres. Also 'ran hier. Und wenn es nich was ganz Dienstliches is, so nehmen Sie den Stuhl da."

Uncke trat auch näher, nahm aber keinen Stuhl und sagte:Herr Major, wollen entschuldigen. Ich komme so bloß .. . Der alte Baruch Hirschfeld hat mir erzählt, und die alte Buschen hat mir er­zählt ..."

Ach so, von wegen meiner Füße."

Zn Befehl, Herr Major."

Ja, Uncke, wollte Gott, es stünde besser. Immer denk' ich, wenn wieder ein Neuer kommt, ,nu wird es°. Aber es will nich mehr; es hilft immer bloß drei Tage. Die Buschen hilft nicht mehr, und Krippenstapel Hilst nicht mehr, und Spanholz hilft schon lange nicht mehr; der kutschiert so in der Welt 'rum. Bleibt also bloß noch der liebe Gott."

Uncke begleitete dies Wort mit einer Kopf­bewegung, die seine respektvolle Stellung (aber doch auch nicht mehr) zum lieben Gott ausdrücken sollte. Dubslav sah es und erheiterte sich. Dann fuhr er in rasch wachsender guter Laune fort:Ja, Uncke, wir haben so manchen Tag miteinander gelebt. Denke gern daran zurück sind noch einer von den Alten. Und der Pyterke auch. Was macht er denn?"

Ah, Herr Major, immer noch tüchtig da; schneidig," und dabei rückte er sich selbst zurecht, wie wenn er die überlegene Stattlichkeit seines Kollegen wenigstens andeuten wollte.

Dubslav verstand es auch so und sagte:Ja, der Pyterke; natürlich immer hoch zu Roß. Uud