Heft 
(1897) 12
Seite
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Die deutsche Milchwirtschaft in der Gegenwart.

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Anfahrt.

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Mit acht Abbildungen.

^Ein glänzendes Beispiel des mächtigen Aufschwunges Wl unsrer Landwirtschaft und ihrer großen technischen Vervollkommnung zeigt uns die deutsche Milchwirtschaft. Vor etwas mehr als zwei Jahrzehnten lag dieser wichtige Wirtschaftszweig noch tief danieder, während er heute bereits einen Grad der Entwicklung erreicht hat, der die kühnsten Erwartungen von früher weit hinter sich läßt. In vielen und großen Gebieten Deutschlands lieferte die Milchwirt­schaft bis vor etwa fünfundzwanzig Jahren nur sehr un­bedeutende Reinerträge im Vergleich zu dem allgemeinen Ertrag der Landwirtschaft. Sie ist jetzt sogar vielfach zum Stützpunkt der ganzen Land­wirtschaft geworden und gleicht die enorme Einbuße aus, die der Ertrag aus dem Getreide­bail durch deil Rückgang der Kornpreise erlitten. Eine natür­liche Folge hiervoil war die verbesserte Rindviehhaltung und überhaupt ein Aufblühen der Viehzucht, wie wir es jetzt überall konstatieren können.

Durch eine rationellere Bewirtschaftung des Wiesen- und Weidelandes, verbunden mit einer reichlichereil Ernäh­rung des Milchviehes, wird jetzt eine ungleich größere und bessere Milchmenge erzielt als früher. Auch die Zahl des Milchviehes ist, wie die Er­gebnisse der periodisch statt-

Ueber Land und Meer. Jll, Okt.-Hefte XIV. 12.

findenden staatlichen Viehzählung zeigen, in dem Zeitraum der letzten zwanzig Jahre in Deutschland um fast eine Million gestiegen, nämlich voll 8 961221 im Jahre 1873 auf 9 946164 im Jahre 1893, abgesehen von Kälbern, Jungvieh und Stieren. Aber diese erstaunlicheil Fortschritte auf einem bis­her arg vernachlässigten Wirtschafts­gebiete in so kurzer Zeit waren nur möglich durch die thatkrüftige, zielbewnßte Arbeit tüchtiger Männer der Wissen­schaft und Praxis. Männer wie Benno Martina, 1)r. Fleischmann, Vr. Julius Kühn, Oekonoinierat Petersen und andre haben ihre Namen unauslöschlich mit der Geschichte der deutscheil Milchwirt­schaft verknüpft. Doch auch dem Aus­lande, insbesondere dem auf diesem Gebiete weit vorgeschrittenen Dänemark, ist was nicht verschwiegen werden darf manche bedeutungsvolle Neue­rung und manche wertvolle Anregung zu danken.

Wenn wir uns einen Molkereibetrieb von früher vergegenwärtigen lind mit dem der Jetztzeit vergleichen, so muß man die damaligen Einrichtungen zur Verarbeitung der Milch lind Herstellung der Butter geradezu klüglich nennen. Voll der Erzeugung feiner Produkte lind voller Ausbeutung der Milch konnte niemals die Rede fein. Ueberall war, wenn auch in der Form verschieden, das alte Sattenaufrahmverfahren üblich. Die gewonnene Milch wurde in flacheil hölzernen oder blechernen Satten längere Zeit je nach der Jahreszeit 24 bis 48 Stunden stehen gelassen und der inzwischen nach oben abgeschiedene Rahm dann mittels Schöpflöffel abgenommen, eine Arbeit, die mit der Hand gescheheil mußte, bei einem größereil Betriebe erklärlicherweise viel Zeit in Anspruch nahm und auch nur ein recht unvoll­ständiges Resultat ergebeil konnte.

Verschiedene Versuche, das Aufrahmverfahren zu ver­einfachen, wie zum Beispiel von Destinon und andre sie unternahmen, waren nur wenig erfolgreich. Erst das so­genannte Swartzsche Aufrahmversahren, das scholl seit 1864 in Schweden und Norwegen zur Anwendung kam, aber erst im Jahre 1875 über Dänemark Eingang in

Außcimnsicht des Molkereigebäudes.

Expedition.

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