Teil eines Werkes 
Teil 2 (2003) Was können Kinder am Ende der Klasse 1?
Entstehung
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ßerschulische Erfahrungen notwendig sind, die nicht bzw. nur in geringem Umfang Berücksichtigung im Mathematikunterricht der Klasse 1 finden.

Wir mussten vom ersten zum zweiten Messzeitpunkt eine Tendenz zur Zunahme der Berechnung einer Lösung bei der von uns gestellten Kapitänsaufgabe konstatieren. Das sollte darauf aufmerksam machen, wie wichtig es ist, sich gemeinsam mit den Kindern inhaltlich mit gestellten Aufgaben auseinander zusetzen und nicht sofort drauflos zu rechnen.

Am Ende der Klasse 1 haben wir in dieser Untersuchung bei einigen Aufgaben signi­fikante Unterschiede in den Leistungen von Jungen und Mädchen festgestellt, meist zum Vorteil der Jungen(Würfelbauten, Verdoppeln, Schätzen). Dagegen zeigten die Mädchen bei der Aufgabe zur Orientierung(Mitte, darüber, rechts) signifikant bessere Leistungen.

Zwischen Lehrereinstellungen und Kinderleistungen, so haben wir festgestellt, besteht keine einseitige sondern eine wechselseitige Beziehung. Lehrkräfte, die häufiger leis­tungsstarke Klassen unterrichten, in denen es z.B. weniger sprachliche Probleme gibt, schätzen das Vorwissen, die Motivation, das Lernpotential und die Fähigkeiten ihrer Schülerinnen und Schüler höher ein und führen diese Klassen auch am Ende des ersten Schuljahres zu höheren Leistungen. Aber auch Lehrkräfte, die große Probleme sehen und geringere Erwartungen an das Leistungsvermögen ihrer Schülerinnen und Schüler haben, erreichen bei den arithmetischen Aufgaben große Leistungssteigerungen in ih­ren Klassen. Dies gilt jedoch nicht für geometrische Aufgaben. Hier sind sowohl bei den Leistungen als auch bei den Leistungszuwächsen diejenigen Kinder im Vorteil, die eigene Lösungswege gehen dürfen.

Betrachtet man die Ergebnisse unserer Studien mit Blick auf den Mathematikunterricht der Klasse 1, so ergeben aus unserer Sicht einige Schlussfolgerungen:

Es ist offensichtlich notwendig, sich immer wieder von der Lernausgangslage der Kinder zu überzeugen. Das betrifft den Beginn eines Schuljahres; aber auch vor Ein­führung jedes neuen Inhaltsbereiches sollte eine solche Feststellung der Lernausgangs­lage zum festen methodischen Repertoire jeder Lehrerin/jedes Lehrers gehören. Dazu können, wie wir gezeigt haben, bereits in Klasse 1 schriftliche Tests genutzt werden. Derartige Tests können aber die genaue Beobachtung der Kinder im Unterricht nicht ersetzen.

Eine solche Analyse der Lernausgangslage muss in einen differenzierten Unterricht münden, der sowohl Unter- als auch Überforderung vermeidet. Eine solche natürliche Differenzierung(offene Aufgabenstellungen, kein Vorschreiben von Lösungswegen) muss sowohl Einführungs- als auch Festigungsphasen betreffen. Differenzierung in Festigungsphasen finden im Unterricht bereits häufiger statt als solch in Einführungs­phasen. Hier bieten einige neuere Lehrwerke® den Lehrerinnen und Lehrern Anre­gungen.

Kinder sollten zunehmend und von Beginn des Unterrichts an angehalten werden, über ihre Lösungsweg, ihre geistigen Handlungen zu reflektieren. Dies kann in Form von Rechentagebüchern oder durch lautes Denken geschehen. Dieses Reflektieren muss dann in einer Verbalisierung des Lösungsweges münden, die Kinder sollen erklären, wie sie gerechnet haben und warum sie so vorgegangen sind. Das kann dazu führen, dass die Kommunikation der Kinder untereinander über ihre Lösungswege und Ideen auch im Mathematikunterricht den ihr gebührenden Stellenwert erhält.

'° 7 B. Das Zahlenbuch(Hrsg. Müller/Wittman; Klett), Rechenwege(Hrsg. Käpnick; Cornelsen/Volk und Wis­sen), Primo(Hrsg. Grassmann; Schroedel)

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