Gegnerische Gutachten von Profeſſoren
Das Urteil der Tierärzte
behörde des Deutſchen Reiches, das Reichsgeſundheitsamt, die gut: achtliche Erklärung abgegeben, daß es nach jahrelangen experimentellen Beobachtungen den Standpunkt vertrete, daß im Schächtakt keine Tierquälerei zu erblicken ſei. ö
Neuerdings haben nun die Schächtgegner auch einige Gutachten von Profeſſoren beigebracht, die das Schächten als tierquäleriſch bezeichnen.) Bei flüchtiger Durchſicht dieſer Gutachten könnte es ſcheinen, als ob nunmehr im Gegenſatz zu den Hunderten widerſprechender Gutachten eine Tierquälerei durch das Schächten erwieſen wäre. Eine genaue Prüfung und kritiſche Betrachtung zeigt indeſſen, daß die Gutachten häufig nur die ‚„Wahrſcheinlichkeit“ ihres Standpunktes darlegen, und daß fie zum Teil Behauptungen aufſtellen, denen experimentelle Beweiſe entgegenſtehen. Dabei unternimmt es keiner der Gutachter, ſich mit dieſen in der Literatur niedergelegten Ergebniſſen experimenteller Forſchung auseinanderzuſetzen. Faſt die Hälfte der Gutachten beſchränkt ſich darauf, einfach„Ja“ oder„Nein“ zu ſagen. Auf dieſer Grundlage iſt eine wiſſenſchaftliche Diskuſſion überhaupt nicht möglich. Dabei iſt die Frageſtellung an ſich zum Teil eine höchſt eigentümliche. Eine Frage lautet z. B.„Kann unbetäubtes Großvieh überhaupt— beſonders im drangvollen Getriebe der Schlacht: höfe— in die für den Schächtſchnitt erforderliche unnatürliche Lage gebracht werden, ohne daß es gequält und geängſtigt wird?“ Man ſollte glauben, daß eine ſolche Frage beſſer einem Hallenmeiſter oder Großſchlächter vorgelegt würde als einem Univerſitätsprofeſſor. Und bei der Unmöglichkeit, vorauszuſehen, was die Technik auf dieſem Gebiete noch leiſten wird, muß die Beantwortung dieſer Frage natür⸗= lich einen völlig ſubjektiven Charakter tragen?). Und einer der Gut: achter, Prof. Hieronymi⸗Königsberg, iſt denn auch freimütig genug zu erklären:„Ich bin überzeugt, daß nicht alle geſtellten Fragen phyſiologiſch eindeutig beantwortet werden können, und daß je nach der perſönlichen Einſtellung zu den Problemen auch eine verſchiedene Darſtellung der Vorgänge nach dem Schächtſchnitt gegeben werden kann. Auch wird eine noch ſo präziſe Frageſtellung immer einen ſubjektiven Reſt enthalten ebenſo wie die Antwort.“
Noch größeres Gewicht legen die Gegner auf das Urteil der Tierärzte, der„wirklichen Sachkenner“,„der Männer der prak
1) Gutachten von Profeſſoren der Anatomie und Phyſiologie auf den tierärztlichen Lehrkanzeln des Deutſchen Reiches über das be: täubungsloſe Schächten. 1929.
2) Tatſächlich hat ja die Erfindung des Weinbergſchen Apparates bereits den praktiſchen Beweis geliefert, daß das Niederlegen ohne jede Qual, ja ohne Feſſelung möglich iſt.
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