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Geschichte der Kur- und Hauptstadt Brandenburg von den frühesten bis auf die neuesten Zeiten : Mit Benutzung des Stadt- und Stiftsarchives und anderer gedruckter und ungedruckter Urkunden / Von M. W. Heffter, Königl. Professor und Prorector am Gymnasio zu Brandenburg ...
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den vor ſich niederſehenden Heiligen nicht ohne Leidenſchaft ans zuſchauen, und betrachtet man ſie von der andern Seite, ſo blickt wieder der Heilige mit einer Art von Luͤſternheit die Hei­lige an. Beides nimmt man nicht wahr, wenn man gerade vor dem Bilde ſteht(1). Der Verfertiger des Gemaͤldes iſt unbe­kannt: man hat vielſeitig den berühmten Lukas Kranach dafür angenommen(2), obwohl ohne überzeugende Gruͤnde. Aber wer auch der Meiſter geweſen ſein mag, er hat ſich durch dieſes Werk eine Stelle in der Geſchichte der Deutſchen Kunſt erwor­ben. Zu den Seiten dieſes Altarſchmuckes find 2 zuſammen­gehörende Tafeln mit einer bedeutenden Anzahl geſchnitzter Heili= gengeſtalten in einfachem altgothiſchen Style, desgleichen 2 gleichfalls zuſammenhaͤngende Schränke mit groͤßern Figuren (Chriſtus und Maria und verſchiedene Heilige ihnen zur Seite), die ſich durch die edle Entwickelung eines weichen Gothiſchen Styles, wie er etwa um 1400 herrſchend war, auszeichnen. Unterwaͤrts, zu den Seiten des Altares, find noch 2 lebens­große hölzerne Relief⸗Figuren, Maria und Johannes, im Style des 14ten Jahrhunderts, die in ihrer Art gleichfalls nicht ohne Kunſt gearbeitet ſind. Die trauernde Stellung beider deutet an, daß fie zu den Füßen eines Crucifires geſtanden haben müffen.

Mit der Entfernung dieſer Kunftfchäße aus der Marienkirche war dieſelbe nun von Allem entbloͤßt, ſich ſelbſt und ihrer einſa­men Lage uͤberlaſſen. So mochte fie allerdings, wie man erz zählt hat(2), zu manchem Unfuge, zu vielen Unſittlichkeiten Veranlaſſung geben. Ihr Gemaͤuer indeſſen trotzte jeder nach­theiligen Einwirkung von Wind und Wetter und würde ſie ſelbſt bis auf die ſpaͤteſte Nachwelt haben dauern laſſen, wenn nicht der Menſch feine zerſtoͤrende Hand angelegt.

Vgl. über dies Gemälde Meuſel's neue Miscellen artiſt. Inhalts J. S. 314. Buͤſching's Reife nach Rekahne S. 313. Fiorillo's Geſch. d. Deutſchen Kunſt II. S. 193 ff. Von der Hagen in d. Berliner Spener­ſchen Zeitung. 1827. No. 27. Kugler in Schulze's Progr. 1836. S. 21 ff, oder in Schroͤder's Abriß d. Geſch. d. Stiftskirche S. 27 ff. So zuletzt noch Heller im» Leben Lukas Kranach's. Bamberg, 1821. S. 186.

Leutinger de rebus Marchicis p. 593.