Beratungen über neue Steuern, Anleihen, Rechnungslegung und der Wahl des neuen Rates hinzugezogen zu werden.
In den Urkunden jener Zeit heißt es: „Meine lieben getreuen Ratsmänner und Gildemeister !•* Im Jahre 1524 wollte die Stadt Lenzen eine Anleihe bei einem Perleberger Bürger aufnehmen, dazu mußten erst die Gildemeister gehört werden.
Da nun aber keine Organisation vorhanden war, die die einzelnen Gilden untereinander zusammenhielt, versuchten diese wiederum, sich gegenseitig zu überbieten und Vorrechte voreinander zu gewinnen. So erkauften sich die Gewandschneider z. B. das Vorrecht, allein Stoffe vertreiben zu dürfen, obwohl ja die Tuchmacher die Hersteller derselben waren.
Letztere wiederum verstanden es, nach jahrelangem Kampfe neue Privilegien zu erhalten, wenigstens ihr eigenes Fabrikat im .Ausschnitt“ (geschnitten) verkaufen zu dürfen. Für fremde Erzeugnisse blieb es beim alten.
Diese Zwiste brachten nun den Beginn des Zerfalls der Innungen mit sich. Das aus der Praxis des Lebens Gewachsene, die Geschichte der Menschheit Belebende und Fördernde erstarrt meist -leider allzu schnell, wird zum Dogma, verliert sich in zeremoniellen Formen und verfällt schließlich ganz. Wie schon erwähnt, hatten die Gilden einen nützlichen Zweck, indem sie in der Ratsversammlung zugunsten der Bevölkerung mitsprechen konnten. Zhre Statuten sorgten für Zucht und Ordnung und verlangten die auftragsgemäße Anfertigung der Ware und die rechtzeitige Ablieferung. Allmählich aber schoben sich die privaten Interessen mehr und mehr in den Vordergrund. Von den oben angeführten Forderungen war in den späteren Statuten kaum mehr etwas zu linden, stattdessen bestehen zwei Drittel der „Articul“ (Artikel) der Lenzener Schuster- und Lohgerber-Innung von 1715 nur aus Strafbestimmungen. Sie sichern sich alle Rechte und Vorrechte und legen um Lenzen einen Bannkreis fest. Diese Art von Zunftordnung gleicht einem Monopol.
„Daß zu dieser Zeit das Handwerk goldenen Bodein hatte, zeigt deutlich die Gegenüberstellung der Preise im Schneiderhandwerk. Ferdinand Ulrici schreibt in seiner Chronik; Der Arbeitslohn für einen Anzug beträgt 164? I Taler 11 Groschen. Der Scheffel Roggen kostete zu jener Zeit 3lä b's 4 Groschen: demnach betrug der Arbeitslohn 9 Scheffel Roggen. Der Tagelohn eines Arbeiters belief sich damals auf 1 bis lVi Gr.“ Er mußte also für einen Anzug 22 bis 24 Tage bei 10- bis 12-, ja sogar 14stündiger Arbeitszeit pro Tag arbeiten.
Einige der Bestimmungen der „Zunftordnung der Schuster- und Loh- gärber-Innung zu Lenzen 1715“ seien interessehalber hier angeführt: „Artic. 2. Soll sich Niemand der außer diesem Gewerck und Gülde ist, Er sey Einheimisch oder Frembd, unterstehen, Schlacht Leder in der Stadt oder auß den Dörfern aufzukaufen bey Verlust des Leders . . .“
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