Heft 
(1956) 4
Seite
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Die Prignitz wurde mit der Altmark enger verknüpft durch den Elbbrücken­bau Wittenberges 1847. Am 21. Oktober 1851 rollte die erste Lok über die Brücke. Damals erschien es wie ein Wunder, daß 1837 sich Havelberg den Luxus von 18 Straßenlaternen erlaubte mit einem jährlichen Ölverbrauch von fünf Zentnern. Was würden die Menschen jener Zeit sagen zu Glüh­birnen, elektrisch betriebenen Geräten, Motoren, Maschinen, zur Rundfunk- und Femsehtechnik, zur Meisterung der Atomkraft? 1853 wurde mit beson­derer Wichtigkeit für die Prignitz vermerkt: 8 Dampfmaschinen und 16 Loks vorhanden mit einer Geoamtkapazität von 774 Pferdekräften. Damals drehten sich noch 27 Wassermühlen, 71 Bockmühlen, 15 Holländei- mühlen. Aber 5 wurden schon mit Pferden getrieben wie die 1823 in Wittenberge gegründete Ölmühle.

Es sollte wohl dieser Zeit Vorbehalten bleiben, daß die Gülitzer Braun­kohle 1829 durch den Tagelöhner Pröpper auf dem ,.Plaggried entdeckt wurde, daß man in den um 1850 entstehenden Dorf Ziegeleien sich den anstehenden Ton nutzbar machte. Nun wurden- Mauersteine und Dach­ziegel gebrannt. Die Strohdächer verschwanden. Die Lehmstaken der Fach­werke wurden durch Mauersteine ersetzt. Schornsteine wurden hoch­gezogen, und nie mehr ist es zu jenen gewaltigen Bränden gekommen, welche Städte und Dörfer einst in Asche legten.

1853 bildete auch der Prignitzer Agrarkreis seine industriellen Schwer­punkte. Es entstanden

in Havelberg: 1 Stecknadel-, Leder-, Tabakfabrik, Zucker- und Öl­

raffinerie;

in Perleberg: 2 Essigfabriken, 1 Wattefabrik, 1 Ölraffinerie und

6 Bierbrauereien;

in Wittenberge: 3 Mostrich- und Zichorienfabriken, 1 Seifen-, Licht-, Tabak- und Wollzupffabrik.

Die Gunst der Verkehrslage gab Wittenberge den Vorzug. Zellwolle, Singer- Nähmaschinen (1903) und RAW wurden die Wahrzeichen seiner technischen Hoheit. Perleberg und Havelberg mit ihren verheißungsvollen Ansätzen blieben hinter Wittenberge zurück.

Aber auch die Dörfer des Landes erlebten eine ihrer tiefsten Wandlungen. Dorfhirtenzeit und Spinnstubenromantik versanken im Vergessenen, wie Flegel, Göpel, Butterfaß, Webstuhl und Petroleumlampe. Seit 1921/22 sind Land und Stadt an das märkische Licht- und Kraftstromnetz amgeschlossen. Damit wurde der gesamte Landwirtschaftsbetrieb in Dreschkästen, Schrot­mühlen, Kreissägen, Pumpen auf elektrische Basis umgestellt. Im Prozeß dieser Rationalisierung verschwanden sowohl die Brachen wie die öd-

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