Heft 
(1956) 7
Seite
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Male scheiterten die Verhandlungen am Unverstand der angesprochenen Orte. Daher ging Perleberg nach der Einführung der sogenannten Lokal­bahnen 1875/76 selbst an die Herstellung wenigstens einer Eisenbahnver­bindung PerlebergWittenberge. Am 15. Oktober 1881 konnte diese Bahn dem Betrieb übergeben werden. Jetzt wurden auch die anderen Städte munter. Eine A. G. übernahm den Bau der Prignitzbahn und konnte sie am 1. April 1885 dem Verkehr übergeben. 1895 wurde dann der schon 1864 geforderte Anschluß bis nach Neustrelitz hergestellt.

Diesem Bemühen der Städte der Prignitz, an die so wichtig gewordene Eisenbahn Anschluß zu gewinnen, folgten in den Jahren 1896-1913 die Grundbesitzer durch den Bau der Ost- und Westprignitzer Kleinbahnen mit einer Betriebslänge von insgesamt 2Ö0 km. Auf einigen Gütern fiel .letzt das Getreide, so könnte man beinahe sagen, aus dem Dreschkasten direkt in die Eisenbahnlore. Den Nutzen hatte Wittenberge. So wurden zum Beispiel im Jahre 1937 1413 t Weizen, 12 044 t Roggen, 58 t Hafer und 182 t Milcherzeugnisse im Wittenberger Hafen verladen. Umgekehrt kamen im gleichen Jahre insgesamt 6866 t Braunkohlen, Briketts und Koks im Wittenberger Hafen an. Außerdem 14 971 t Steinkohle, 156 t Fische, 28 034 t Mais, 466 t tierische Fette und öle, 306 t Papierwaren und 817 t Nahrungs- und Genußmittel. Sehr richtig nannte R. Gädke Wittenberge den Nordseehafen der Mark. Verkehrsgeographisch lag Wittenberge durch den Elbe-Lübeck-Kanal sowohl im Auswirkungsgebiet der Nordsee als auch dem der westlichen Ostsee. Elbaufwärts waren Verbindungen nach Berlin, Breslau und Stettin gegeben und über Magdeburg-Rothensee kam man durch den Mittellandkanal zum Rhein. Wittenberge war in Bezug auf günstige Verkehrslage konkurrenzlos. Elbaufwärts bot erst Magdeburg- Rothensee und elbabwärts Lauenburg ähnlich günstige Umschlagsbedin­gungen wie Wittenberge. Perleberg und alle anderen Städte der Prignitz waren endgültig durch den Außenseiter Wittenberge überflügelt. Wenn auch der zweite Weltkrieg und die unselige Spaltung unseres Vaterlandes vieles zerschlugen, so spüren wir doch schon wieder den Aufstieg, und wir können sagen, Wittenberge spielt wieder seine Rolle als Verkehrsknoten­punkt und Industriestadt in der Landschaft der Prignitz.

Stellen wir uns noch einmal auf den Hafendeich und beobachten das Kommen und Gehen der Eisenbahnzüge und Schlepper, sehen den Rauch wirbelnd aufsteigen aus den Schornsteinen der Werke, spüren mit einem Wort den Pulsschlag des Verkehrs und der Arbeit, und wir nehmen die Gewißheit mit uns, auch in unserer Stadt, wie überall in der Republik, wird mitgearbeitet an dem besseren und schöneren Gebäude der Zukunft.

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