Heft 
(1956) 7
Seite
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ALFRED KLAAR

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Längst vergessen ist die Zeit, da in unserer Stadt die Versorgung mit Licht noch in primitiven Anfängen steckte. Wer erinnert sich heute noch, wie zu Großmutters Zeiten mit einbrechender Dämmerung das Licht angezündet wurde? Gaslaternen, Petroleumlampen und Kerzen standen zu spärlicher Beleuchtung zur Verfügung. In den Straßen, Geschäften. Gaststätten sowie Haushaltungen, überall war die Beleuchtung aber auch mit viel Geduld und Ärger verbunden.

In den Straßen waren es die Gaslaternen, die längs der Baumreihen standen und noch von Menschenhand angezündet und ausgelöscht werden mußten. Im Volksmund wurden siedie alten Funzeln genannt.

Wir erinnern uns noch ganz genau, wenn abends und morgens immer zur bestimmten Zeit der alte Gaslaternenanzünder kam, um diese Lam­pen anzuzünden bzw. zu löschen. Meistens beobachteten wir ihn abends. Auf dem Rücken trug er seine Leiter und unter dem Arm den langen Anzündestab. Oft sorgten aber auch böse Buben datür, daß der Alte wenig Freude bei seiner Arbeit fand. Entweder war mit dem'Fußball der Gas­strumpf zerstört oder gar die Glasglocke zerschlagen worden. Alles Schimpfen half nichts, denn die Straßen waren damals noch ein wahrer Tummelplatz der Kinder.

Unter den alten Gaslaternen hat sich auch so manches Schauspiel zuge­tragen. Wie oft wurde eine Laterne zum letzten Halt für einen Schwere­nöter, der von einem Fackelzug träumte, um schließlich kraftlos nieder­zusinken und im Lichtschein seinen Rausch auszaschlafen. Im Lampen­schimmer warteten die längst vergessenen Pferdedroschken auf ihre Kun­den. Nicht selten war der Alte hoch oben auf dem Kutschersitz eingeschla­fen und machte sein Nickerchen, bis ihn ein Kunde weckte. Dann schnalzte er mit der Zunge, und der Gaul trabte davon. Auf der Rückfahrt gebot er dem treuen Pferd schließlich nochmals halt, um im Lampenschein die Trinkgelder zu zählen.

Als dann die ersten Automobile in Wittenberge verkehrten, suchten auch diese unsere Gaslaternen als Haltestellen auf. Oftmals gab es hier erregte ' Debatten, denn das Rohöl gab riesige Dampfschwaden von sich, und Staub­wolken von erheblichem Ausmaß nebelten die Straßenpassanten ein. Auch

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