Heft 
(1956) 7
Seite
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Während der Jahre 1838 und 1839 wurde ein Kanal von den Stepenitz- wiesen bei Klein-Breese bis zum Elbhafen gegraben, um die Wasserkraft für die Ölfabrik auszunutzen. Damit wurde die bisherige Pferdekraft durch drei Wasserräder abgelöst. Eins dieser Wasserräder war imstande, 16 hy­draulische Pressen in Gang zu halten.

Im Jahre 1856 zerstörte ein gewaltiges Schadenfeuer die Ölfabrik. Der Elb­hafen bildete ein einziges Feuermeer durch die dorthin abfließenden bren­nenden öle, so daß die im Hafen liegenden Schiffe gefährdet waren. Noch im selben Jahr, also heute vor 100 Jahren, wurde die Ölfabrik umfangreicher und neuzeitlicher wieder aufgebaut. Trotzdem blieb die Produktionsweise nach wie vor primitiv, wie sie vordem betrieben wurde. Auch das Ausladen des Saatgutes war eine nicht einfache Angelegenheit. Die Arbeiter füllten die Saat auf den Schiffen in Säcke, mußten diese über einen schmalen Bohlen­steg vom Kahn aus ans Ufer tragen und in den Speichern lagern. Wenn man bedenkt, daß ein Sack durchschnittlich zwei Zentner wog, erscheint einem diese Leistung außerordentlich, und es geschah nicht selten, daß ein Arbeiter mit seiner Last ins Wasser stürzte. Die Arbeiter, welche mit dieser Arbeit beschäftigt waren, bildeten eine geschlossene Gruppe, die soge­nannte Garde der Sackträger.

In der jetzigen Bad-Wilsnacker-Straße 27 war das alte Laboratorium und die Putzpomaden-Abteilung der Fabrik. Putzpomade wurde hergestellt aus Olein, einem feinem Schmirgelmittel und anderen Zusätzen. Haupt­abnehmer für die Pomade, die auch schon vor der Jahrhundertwende pro­duziert wurde, waren deutsche und ausländische Eisenbahngesellschaften. An dieser Stelle seien noch einige interessante Angaben über die Familie des Gründers und seine Nachfolger gemacht.

Der kurz vor Kriegsbeginn verstorbene Besitzer Geheimrat Herz, Enkel des Gründers, besaß vermutlich ein Gesamtvermögen im Wert von 32 Mil­lionen Goldmark. Schulden in Höhe von 200 000 Goldmark, die sein Neffe Hans Herz gemacht hatte, bezeichnete der Geheimrat als Geringfügigkeit. Herz galt als intimer Bekannter Wilhelms II., er ritt oft mit ihm durch Berlin spazieren und machte der Kaiserin regelmäßig seine Aufwartungen. Herz war, genau genommen, nicht Alleinbesitzer, sondern er stand nur dem Familienbesitz vor. Im Rahmen dieses Familienbesitzes war die hiesige Herzsche Ölfabrik das kleinste Unternehmen. Der Familie Herz gehörten ferner eine Gummiwarenfabrik in Berlin, eine chemische Fabrik in Bitterfeld und sehr viele Dampfmühlen im ostelbischen Gebiet.

Kurz vor seinem Tode gründete der Besitzer dieHerzsche Stiftung". Dazu zählten das Waisenhaus, der Wohnblock in der Müllerstraße für Betriebs­angehörige und ein Legat von 200 000 Goldmark, dessen Zinsen den An­gestellten seiner Aera zufließen sollten (dafür relativ niedriger Verdienst) nach dem Tode des letzten Angestellten dieser Epoche sollte das Kapital zur Familien-GmbH zurückfließen.

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