Kurz vor Ausbruch des ersten Weltkrieges wurden Max Herz (Sohn des Geheimrats) und Hans Herz (Neffe des Geheimrats) Hauptaktionäre der Familien-GmbH.
Die Stärke der Belegschaft betrug nach dem ersten Weltkrieg weiterhin 70 bis 80 Mann. In den ersten Jahren der Weimarer Republik hatten die SPD und in kleinerem Umfang die USPD beachtlichen Einfluß auf die Arbeiter des Betriebes.
Das Komitee der Wittenberger Arbeiter zur Abwehr des Kapp-Putsches befand sich in der Zentralhalle. Dort fand auch die Ausgabe von Gewehren an die Arbeiter der ölwerke statt. Die Putschisten hatten in Beuster eine größere Zentrale. Die Großbauern von Beuster und vielen anderen Orten des Kreises standen offen auf der Seite der Kappleute, zusammen mit den Gutsbesitzern.
Unter den Wittenberger Werktätigen, die als Unterhändler nach Beuster gegangen waren, befanden sich auch Arbeiter der Ölmühle. Die Verhandlungen wurden von seiten der Putschisten abgelehnt, ein Ölmühlarbeiter wurde von ihnen in die taube Elbe gejagt.
1921 organisierte ein Betriebsratsmitglied (Mitglied der KPD) einen Streik für die Erhöhung der Löhne, die bei der rasch wachsenden Inflation minimal waren. Höhere Gewerkschaftsführer erklärten den Streik als „wilden Streik" und lehnten eine Unterstützung ab. Nur die Solidaritätsspenden der Arbeiter aus den anderen Wittenberger Betrieben ermöglichten es den Werktätigen der Ölmühle, den Streik weiterzuführen. Der Wert der Solidaritätsspenden belief sich im Durchschnitt je Arbeiter auf den Preis eines Päckchens Tabak. Als der Besitzer den Arbeitern anbot, bei verdoppeltem Lohn die Arbeit wieder aufzunehmen, kapitulierte die Mehrheit der Streikenden. Dabei ist zu beachten, daß die Erhöhung der Löhne um das Doppelte kaum ins Gewicht fiel, da während dieser Zeit bereits die Geldentwertung im Gange war. Streikbrecher wurden während dieser Zeit aus Seehausen per Bahn antransportiert. Der Betriebsrat, der den Streik organisiert hatte, wurde entlassen. — Jedoch erzwangen die Arbeiter, daß seinen Mitgliedern für ein Jahr der Lohn weitergezahlt wurde.
Im Gegensatz zum Geheimrat Herz und zum Kommerzienrat Herz, die beide typische Vertreter der sehr beweglichen deutschen Großbourgeosie der wilhelminischen Zeit waren, zeigten sich die neuen Besitzer Max und Hans Herz als wirtschaftlich recht unfähige, träge Männer. Sie wohnten im Sommer meist in Wittenberge, in der übrigen Zeit aber in Berlin. Politisch zeigten sie sich vor und nach der Novemberrevoluton uninteressiert; ihr einziges ernsthaftes Bemühen galt der Ausgabe des ererbten Besitzes. Mit den Arbeitern und der gesamten Produktion hatten sie keinen .Kontakt, dagegen mühte sich Max Herz sorgfältig um einen von ihm gegründeten Rennstall. Es ist verständlich, daß die Herz'sche Ölfabrik unter einer solchen I^eitung in katastrophale Zustände geriet und bereits
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