Heft 
(1956) 7
Seite
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bei Beginn der Weltwirtschaftskrise (1929) völlig verschuldet war. Einen gewissen finanziellen Aufschwung versprachen sich die Besitzer durch die Inbetriebnahme einer Firnisabteilung (1926). Jedoch blieben die erwarteten Erfolge aus.

1929 wurde die Familien-GmbH Herz aufgelöst. Einige ehemalige Betriebs­angehörige wollen wissen, daß der letzte Anstoß für den Verkauf der Öl­werke der Verlust einer Millionenwette war, die Max Herz im Berlinei- Tattersaal abgeschlossen hatte.

Der Deutsch-Amerikaner Louis Roever (genannt Don Roever) kaufte die finanziell sehr schlecht dastehende Fabrik auf. Auch Louis Roever leitete das Unternehmen als Familien-GmbH. Sein Bruder Heinrich Roever (Regierungsrat a. D.), seine Frau, eine geborene Kanadierin und später auch deren Söhne waren die Besitzer. Im Gegensatz zu den beiden letzen Herz- schen Besitzern stellt Roever, der ein guter Organisator war, den schlauen und gleichzeitig gerissenen Managertyp der amerikanischen Wirtschaft dar. Er hatte längere Zeit in Kanada, Mexiko und in den Vereinigten Staaten Unternehmen unterschiedlichster Art als Teilhaber oder allein besessen. Entsprechend seinen genannten Eigenschaften stellte er bald einen relativ guten Kontakt nicht nur mit den Angestellten, sondern auch mit den meisten Arbeitern des Betriebes her. Er verstand es, vornehmlich durch ein kluges Prämiensystem und durch weitereGeldgeschenke an einzelne Arbeiter oder Arbeitergruppen die Ausbeutung so zu verschleiern, daß er bald in Geldsachen als nobel galt. Im Gegensatz zu den verschiede­nen Vertretern der Familie Herz war Roever kein Börsenmann und sicherte sich beim Kauf von Saaten und bei den Verkaufsbedingungen für das Öl nahezu gegen jedes Risiko. Roever ließ sofort die Presserei modernisieren. In der Zeit der Krise war nur Kurzbeschäftigung im Betrieb möglich. Trotzdem erhielten die Angestellten ihr volles Gehalt. Die Arbeiter hatten dagegen große Abzüge.

Dennoch arbeitete der Betrieb 1929 bis 1934 mit Verlust. Bis 1933 war die Ware in den Lagerräumen des Betriebes fast ausnahmslos verpfändet. Ob­gleich die Weltwirtschaftskrise 1934 zu Ende ging, wäre die Fabrik nach Aussagen eines damals erschienenen Regierungsvertreters doch zum Kon­kurs gekommen, wenn nicht in diesem Jahr eine Sanierung durch die so­genannte Reichsstellenbewirtschaftung vorgenommen worden wäre. In der­zeit der Krise waren die deutschen Ölfabriken durchschnittlich nur zu 70 Prozent ausgenutzt.

Die Maßnahmen der Reichsstellenbewirtschaftung beweisen, daß der Roeversche Besitz im Interesse einer künftigen Wehrwirtschaft erhalten bleiben mußte. 1934 wurde die erste große Tankanlage gebaut.

1936 wurde mit der Herstellung von Kunstharzlacken (Gemisch von Firnis und speziellen Kunststoffen) begonnen. Im selben Jahr brannte ein Speicher aus.

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