geschehen sein, daß eine unserer Urgroßmütter zum ersten Male den Gedanken aussprach: „Man sollte vor jedem Hause einen Blumengarten anlegen.“ Die Falkenhagener Bauersfrauen waren für diesen Gedanken schnell gewonnen, aber das für die Vorgärten benötigte Land war die Dorfaue. Um es nehmen zu können, bedurfte es nicht nur der Zustimmung des Dorfschulzen, sondern auch der Genehmigung des Herrn von Treuenfels aus Gerdshagen.
An einem schönen Sonntag zur Frühjahrszeit machten sich die Frauen aus Falkenhagen auf den Weg nach Gerdshagen, um ihre Bitte dem „gnädigen Herrn“ vorzutragen. Ihre schönsten Kleider hatten sie angezogen und die neue Schürze umgebunden, dann gingen sie zuerst in die Kirche und anschließend nach Gerdshagen.
Hier angekommen wurde eine Delegation der Mutigsten zum Herrn von Treuenfels geschickt, die in aller Untertänigkeit die Bitte um Genehmigung der Vorgärten vortrug. Aber Herr von Treuenfels hatte kein Ohr für die Bitten der Frauen, auch die Sonntagskleider beeindruckten ihn nicht. Im Gegenteil, Menschen, die, nicht in Arbeitskleidern und bei der Arbeit waren, verärgerten ihn nur. Die Bitte wurde abgelehnt, und die Frauen mußten unverrichteter Dinge wieder heimwärts ziehen. Wer aber meint, Falkenhagener Frauen gäben so schnell ihr Vorhaben auf, der kennt sie schlecht. Ein Gutsarbeiter, der seinen „Gnädigen“ zur Genüge kannte mit all seinen Marotten und sehr ungnädigen Gepflogenheiten, gab den Frauen den Rat, den „Alten“ einmal in Arbeitskleidern bei passender Gelegenheit anzusprechen. Es war gerade Erntezeit, und jung und alt war auf den Feldern, als sich die Gelegenheit ergab. Wieder trugen die Frauen den alten Wunsch nach Vorgärten auf dem Gelände der Dorfaue vor. Diesmal knurrte der von Treuenfels „Ja“ und die Frauenschar zog mit Gesang heimwärts. Die Männer hatten nicht mehr an einen Erfolg geglaubt, nun spürten sie ihn, denn sie mußten schon am nächsten Morgen tüchtig zupacken beim Umgraben des harten Bodens. Ein richtiger Wettbewerb setzte ein, jeder wollte zuerst fertig sein und nach Möglichkeit seinen Nachbarn in der Schönheit seines Gartens noch übertrumpfen. So sind die Vorgärten in Falkenhagen entstanden und haben sich bis zum heutigen Tage erhalten. Wollen wir doch dessen eingedenk sein, mit welcher Mühe und Zähigkeit unsere Vorfahren dieses Ziel erreichten. Darum sollte jeder dafür sorgen, daß sein Vorgarten ein schöner, blühender Blumengarten ist, der das Dorfbild verschönt und den Falkenhagenern und allen Durchreisenden Freude bereitet.
Zeigt sich nicht auch hierin der Unterschied zwischen unserem Arbeiter- und-Bauern-Staat und dem halb feudalen, halb kapitalistischen Preußen von ehemals? Heute regt der Staat zur Verschönerung des Dorfes an und stellt Tausende von Mark als Preise für die Sieger des Wettbewerbs zur
383