WILHELM FUBEL, HAVELBERG
Das Havelberger Rathaus
Havelbergs ältestes Rathaus ist nicht mehr vorhanden. Es stand auf dem Marktplatz, dem Stadtmittelpunkt. Hier am Markt und seiner unmittelbaren Umgebung wurden auch die anderen öffentlichen Gebäude errichtet.
In den ältesten Zeiten diente es neben Gerichts- und Verwaltungszwecken auch als Schauhaus praktischen Zwecken. So ergab sich von Anfang an, daß das Rathaus die Seele der Stadt, der Mittelpunkt des Gemeinwesens wurde.
Bereits seit dem Jahre 1151 besitzt Havelberg Stadtrecht, zugleich auch die Befugnis, selbst Märkte abzuhalten.
Als im 12. und 13. Jahrhundert die Kolonisierung des ostelbischen Slawenlandes begann und Handwerker und Kaufleute der Stadt das wirtschaftliche und politische Gesicht gaben, war Havelberg ein bedeutender Ort. Damals erfolgte die Rechtssprechung nach dem sogenannten Sachsenrecht, das uns um 1230 Eyke von Repkow in seinem „Sachsenspiegel“ niedergeschrieben hat. Es war eine Rechtssprechung unter freiem Himmel und unter Anteilnahme des Volkes, wie sie in Havelberg am Sperlingsberge stattfand. Später, als Urkunden und Protokolle dazu kamen, wurden diese Gerichtsversammlungen in verdeckten Räumen abgehalten, um störende Witterungseinflüsse abzuhalten, und über die Gerichtsstätte die sogenannte Gerichtslaube — unmittelbar am Rathaus — gebaut. Diese war gewölbt und an drei Seiten offen, eben um dem Volke die Anteilnahme zu ermöglichen.
Als Havelberg das erste Rathaus auf dem Marktplatz erbaute, wird es sich auch eine solche offene Gerichtslaube geschaffen haben, denn Riedel bezeichnet noch das spätere Rathaus aus dem Jahre 1698 als „Lobium“ = Laube. Diese Bezeichnung deutet jedenfalls darauf hin. Nach den Bränden von 1627, 1635, 1652 und 1674 wurde es 1698 wieder aufgebaut. Einen Turm hatte es nach den älteren Ansichten der Stadt nicht. Bei diesem
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