Issue 
(1958) 1
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der Pfarrer sich doch bewegen ließ, sich anzukleiden, um mit Gebetbuch und Laterne ausgerüstet mit Siewers zum Friedhof zu gehen.Da, hören Sie, flüsterte Siewers, da da in der Tat, das Scharren und Rascheln klang immer noch zwischen den Gräberreihen, und jetzt fiel wieder ein Grabkreuz mit dumpfem Aufschlag zu Boden. Auch der Pfarrer lauschte erschreckt. Da ging es tatsächlich nicht mit rechten Dingen zu. In dieser dunklen, stürmischen Herbstnacht konnte wohl auch einem glaubens­starken Mann ein Schüttelfrost über den Rücken laufen.Nehmen Sie die Laterne, Siewers sagte am Kirchhofstor der Pfarrer zu seinem Nacht­wächter, und gab ihm die flackernde Leuchte in die Hand. Mit beiden Händen umklammerte er jetzt sein Gebetbuch. Vater Siewers aber faßte Pike und Laterne fester, und indem er murmelte:Nu denn mit Gott. Herr Pastor, stieß er das Tor auf und ging festen Schrittes auf die leben dig gewordenen Gräberreihen zu.Mit Gottes Hilfe, sagte auch der Pfarrer, und folgte ihm mit fünf Schritten Abstand. Schon hatte der mutige Nachtwächter die ersten beiden Grabreihen erreicht. Unheimlich still war es jetzt auf dem Friedhof, nichts regte sich, nur der Wind schüt­telte die letzten Blätter von den Bäumen. Schon hoffte der Pfarrer, daß der ganze Spuk doch nur eine Sinnestäuschung sei, da brach plötzlich mit Röhren und Gurgeln ein schwarzes Ungetüm hinter einem der Gräber hervor. Geradewegs auf den zu Tode erschrockenen Nachtwächter rannte es zu und ihm genau zwischen die Beine!

Laterne und Pike flogen in weitem Bogen nach links und nach rechts. Instinktiv griffen Siewers Hände nach einem Halt. Auf dem Rücken des Ungeheuers sitzend, faßte er mit den Händen etwas, das wohl ein Strick oder ähnliches sein konnte. Er hielt sich in Todesangst daran fest, und das Gespenst raste mit ihm den Gang entlang auf das Friedhofstor zu. Der Her^ Pfarrer erhielt von dem schwarzen Gottseibeiuns einen Stoß gegen das Schienbein, so daß er aufschreiend rücküber auf einen Grabhügel stürzte.Herr Paster, Herr Paster, grüßen Sie meine Frau und meine Kinder, jetzt geht der Satan ab mit mir! schrie jammernd*der Nacht­wächter. Doch am Tor endete der Ritt auf dem leibhaftigen Satan. Am Torpfosten wurde der Reiter unsanft abgestreift. Stöhnend rappelten sich die beiden Geisterbanner wieder auf und humpelten mit schmerzenden Gliedern nach Hause.

Am nächsten Morgen stellte es sich heraus, daß die Schweine aus dem am Friedhof angrenzenden Stall ausgebrochen waren.Besser, wir sagen gar nichts von dem ganzen Vorfall, sagte der Pfarrer zu seinem Nachtwächter. Siewers jedoch konnte den Mund nicht halten, und so ist die Historie vom Geisterspuk in Drewen bis auf den heutigen Tag erhalten geblieben. Viele Jahre sind seitdem vergangen. Doch auch heute soll es noch spuken. Zwar nicht auf dem Drewener Friedhof, wohl aber in den Köpfen mancher Zeitgenossen.

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