Heft 
(1958) 1
Seite
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R. HARBIG, KYRITZ

Frau Elbe

und ihre Prignitzer Flußkinder

Eine heimatkundliche Plauderei und Handreichung zugleich für den Lehrer, der die toten Signaturen der Karle mit Leben und damit den Unterricht mit Interesse füllen will

Frau Elbe liebt es als gute Mutter, ab und an mit ihren Kindern, den Nebenflüssen, Zwiesprache zu halten sie hat nur Töchter und an ihren kleinen oder großen Sorgen und Freuden teilzunehmen. Zu be­richten ist immer etwas. Ob sie wie böse Zungen behaupten wollen für die Saale, die liebe poetische Saale, eine kleine Vorliebe empfindet, bleibe unentschieden. Für heute und diesmal hat sie ihre Prignitzer Kinder zum Stelldichein geladen und zwar in das LokalZum alten Prignitzer in der Lenzener Wische. Sie selbst ist mittlerweile auf ihrem langen Wege etwas füllig geworden, eine reife Matrone, die schon zu beiden Seiten die Deiche als Treppengeländer haben muß. Ach ja, sie hat auch ihre Sorgen! Sie wird als Staats- und Zonengrenze benutzt, und das stört oft ihren Frieden, und manches könnte sie von den schweren Dienst der Grenzpolizei im Kampf mit Schmugglern und zweifelhaften Menschen berichten. Es ist doch eine komische Sache, zu wissen, daß mitten durch ihren Körper eine künstliche Grenze verläuft.

Also heute hat sie Besuch von ihren Kindern aus der Prignitz, der Land­schaft, die sie selbst nur streift und nach Westen hin abgrenzt. Die Havel. Karthane, Stepenitz und Löcknitz haben sich eingefunden, schlichte, ein­fache Flußpersönlichkeiten, die zur Prignitz passen, dieser bescheidenen Landschaft, der starke äußere. Reize und Schönheiten fehlen. Sie sind ernst und zurückhaltend geworden auf ihrer Wanderung durch stille Wiesen und verschwiegene Wälder, und nur den Sonntagskindern unter den Menschen erschließen sich ihre Schönheiten. Mutter Elbe liebt diese be­scheidenen Kinder und läßt sich gern von ihren Sorgen berichten. Und daran fehlt es nicht. Da sind z. B. die Flußregulierungen und Begradi­gungen, welche die Menschen mit ihnen vornehmen. Es mag ja einer­seits nützlich sein, mehr Boden und mehr und besseres Heu zu gewinnen, bessere Weiden zu schaffen, aber andererseits war es doch auch schön und

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