malerisch, in Windungen und Krümmungen durch die Gegend zu fließen und in verschwiegenen Knicks unter Gebüsch auszuruhen und „Such- mich-mal“ zu spielen. Jetzt sind ihre Ufer vielfach reizlos geworden und der Wasserlauf beschleunigt. Noch etwas anderes beklagen sie. Früher benutzte der Mensch ihre Strömungskraft zum Antrieb der Mühlenräder, und schön war es, in lustigen Sprüngen über die Schaufeln des großen Wasserrades zu springen, sich in Wirbel und Schaum aufzulösen und dann im Mühlenteich sich wieder zu sammeln und zu verschnaufen. Und die Menschen freuten sich an diesen Idyllen in einsamen Mühlen und sangen Lieder vom Mühlrad und Müller. Auch das ist vorbei; in den meisten Fällen liefert der elektrische Strom die Kraft, und die Romantik der Mühlen ist verschwunden. Immer wieder freuen sie sich, wenn ab und an ein Menschenkind Verständnis und Zeit für sie hat, mit ihnen stumme Zwiesprache hält, ihnen Grüße mitgibt in die Ferne, der sie zustreben. Oder wenn eine Schulklasse sie aufsucht und ein verständnisvoller Lehrer erzählt von den Rätseln des Wassers und von Wassergeistern, vom Spiel der Libellen und dem Spiel der Wolken, kurz, wenn sie in seinen Worten zu lebendigen, beseelten Wesen werden.
Ach ja, die bescheidenen Kinder der Prignitz waren bescheiden in ihren Wünschen. Nicht Rebenhänge, steile Felsen, alte Burgen, wie ihre Schwestern Rhein und Mosel, nicht vielbesungene und weltbekannte Berühmtheit waren ihr Begehr, nur etwas Verständnis für ihre stille Art und verborgene Schönheit. Mutter Elbe nickte ihnen zu; ihr liebkosender Blick zeigte, daß sie verstanden wurden. Die Tür öffnete sich, die Havel trat ein, eine große, stattliche Frauengestalt mit gewinnenden Zügen, die größte der Schwestern. Sie entschuldigte sich mit dem weiten Weg und dem Aufenthalt beim Durchlaufen der vielen Seen, wo es oft schwierig sei, wieder freizukommen und den Weg fortzusetzen. Ja, sie hätte es bequemer haben können, wenn sie von ihrer mecklenburgischen Heimat aus, wie die Eide, einen kürzeren Weg nach Westen zu ihrer Mutter genommen hätte. Aber sie hatte wichtige Aufgaben zu erfüllen; sie mußte doch ihre Kinder abholen und mitbringen, die Spree, die Dosse. Ja, die Spree war etwas ihr Sorgenkind; ein enfent terrible, daß bei ihrem Weg durch Berlin etwas Berliner Art und Luft, losen Mund und Keßheit, jedoch verbunden mit einem goldenen Herzen, mitbrachte und viel erzählen konnte. Als sie bei Spandau aufgenommen wurde, mußte sie erst von vielem Ruß und Staub gesäubert werden und sich manierlich betragen lernen, ehe die Havel sie der Mutter Elbe und den Schwestern zuführte, wo es immer gesittet und ehrbar zuging. Ganz anders war die Dosse geartet; ein stilles, starkes Mädchen aus der Prignitz. Ab und an wurde sie gesprächig, und besonders lebendig konnte sie werden, wenn sie von dem Städtchen an ihrem Oberlauf, dem alten Wittstock, erzählte, wie es erst nur eine kleine Siedlung, Sitz eines Knäs, gewesen wäre und wie es dann jahrhundertelang als
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