Issue 
(1958) 1
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Residenz der Bischöfe eine glanzvolle Zeit erlebt hätte. Hier, bei Witt­stock, hatte sie auch die Glinze aufgenommen, ein kleines, braunes Moor­kind, das ebenfalls erst ein reinigendes Bad in ihr nehmen mußte. Als man ihr am Ende ihres Weges eine künstliche Mündung schuf, ist ihr das eigentlich ganz lieb gewesen. Diese beiden Kinder, so meinte die Havel, hatten den Umweg gelohnt. Und dann hat sie unterwegs viel gesehen und erlebt, Städte mit einer großen Vergangenheit, aber auch mit Be­deutung für die Gegenwart; Zehdenick mit seinen Ziegeleien, Hennings- dörf mit dem Stahlwerk, Spandau, Potsdam, Brandenburg mit seiner großen geschichtlichen Vergangenheit, Rathenow, die Stadt der optischen Geräte. Untf überall hat sie sich nützlich machen können als Transport­weg für Rohstoffe und Fertigwaren, und nicht zuletzt dadurch, daß sie, wie auch die Spree, für die Großstadtmenschen landschaftliche Schön­heiten in großer Zahl bereithielt mit Dampferfahrten und Gartenlokalen; ein buntes Bild an schönen Sommertagen. Ja, eine sympathische Erschei­nung ist die Havel, der man gerne zuhört, wenn sie Gestalten und Bilder der Vergangenheit lebendig werden läßt, aber auch vom pulsierenden Leben der Gegenwart berichtet, vom Fortschritts- und Aufbauwillen eines Staates und seiner Menschen; auch sie ist in ihrer arbeitsamen Art eine echte Tochter der Prignitz, in der sich Vergangenheit und Gegenwart ver­einigen. Sie hatte es von Havelberg, wo von ihrem hohen Steilufer der gewaltige Dom weit ins Land schaut, nur einige Kilometer bis zur Mutter gehabt; aber sie war noch rüstig und lief noch ein Stück neben ihr her, um sich dann mit ihr zu vereinigen. Ähnlich machten es die Karthane, die vom Wilsnacker Wunderblut erzählt, und die Löcknitz, die von der alten Burg bei Lenzen und den niedersächsischen Bauernhäusern der Wische zu berichten weiß. Sie laufen lange nebenher, ehe sie sich entschließen, von der Elbe aufgenommen zu werden.

Da war die Stepenitz, wohl das urwüchsigste Prignitzer Flußkind, ener­gischer. Zielstrebig eilte sie, mit über 100 m Gefälle, vom Norden der Prignitz zum Süden und somit der Mutter Elbe zu. Die alte Grenzfeste Meyenburg, das idyllische Kloster Marienfließ, die mächtige Wasserburg bei Putlitz liegen seit 700 Jahren an ihren Ufern. Eine weite Insel bildend, gab sie der Altstadt Perleberg ihren Lebensraum. Und nun mündet sie bei Wittenberge, der wirtschaftlich stärksten Stadt unserer Prignitz, mit Hafenanlagen und rauchenden Fabrikschornsteinen, in die Elbe.

Ein gemeinsames Mahl vereinigte dann, als alle Prignitzer Flußkinder zusammen waren, die Familie. Es war wesentlich einfacher und be­scheidener als das, das z. B. der Rhein seinen Kindern gibt, wo Wein und Sekt fließen und wo erlesene Delikatessen gefüllte Schnecken, Krebs­pudding, Eiskrem geboten werden. Die Kinder der Prignitz freuten sich, als man ihnen das Prignitzer NationalgerichtSuren Kniper servierte. Die Dömnitz, bei ihrem Lauf die uralte slawische Burganlage bei Horst

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