Danton.
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Wüchsige Urkraft seines Wesens, sondern eine instinctive Kenntniß ländlicher Zustände zu danken, die ihm den richtigen Weg wies, wo es Wirkungen aus die außerhalb der Hauptstadt lebenden Massen galt. Wenn er nichtsdestoweniger zunächst und vor Allem Paris im Auge behielt und während der Jahre seines revolutionären Emporkommens auf eine außerhauptstädtische Rolle verzichtete, so geschah das in der zutreffenden Erwägung, daß unter den Prunkrednern der damaligen politischen Bühne für ihn kein Platz sei und daß die Herrschaft über den H er d der Bewegung — das revolutionär durchsetzte Paris — Vorbedingung des Gelingens der Sache sei, welche er zu der seinigen gemacht hatte.
Danton's Lobredner wissen von den Reizen seines kleinen, an der Uns äs l'Üeols belegenen Hauses, von dem vertrauten Verkehr desselben mit den Familien Desmoulins und Robert und von der liebenswürdigen Gastfreiheit, die der Hausherr übte, außerordentlich erbauliche Dinge zu berichten. Mit dem, was über Moralität und Leumund der genannten Hausfreunde überliefert worden, sind diese Berichte indessen nicht in Uebereinstimmung zu bringen. Wenn von Desmoulins nichts weiter bekannt geworden Wäre als der eine Brief, in welchem er seine Befriedigung darüber ausspricht, „sich in Positur setzen und Diejenigen seine Macht fühlen lassen zu können, die ihn gering geschätzt," so würde das zuv Charakteristik der Gassenjungennatur dieses Mannes ausreichen, der eigentlich nur in einer Rücksicht, in Bezug aus das Verhältniß zu seiner Frau, achtungswürdig gewesen ist. Robert und seine Frau, geborene Keralio, spielen in den Memoiren der Frau Roland eine Rolle, welche vertrauliche Beziehungen zu ihnen nicht eben beneidenswerth erscheinen läßt; Fabre d'Eglantine, Danton's vertrauter Freund und späterer Secretär, wird von Allen, die ihn gekannt, als zweifelhafte Existenz, als unwissender und moralisch unzuverlässiger Geselle bezeichnet. Von Danton selbst aber erscheint unbegreiflich, wie er zu einem schlechten Rufe gekommen sein sollte, wenn seine Führung diejenige eines ehrbaren und gewissenhaften Privatmannes gewesen wäre. Wie stimmt zu einem solchen, daß er sich zum Begründer des verrufensten und pöbelhaftesten Clubs der verwilderten Hauptstadt, der Cordeliers, hergegeben, daß er mit Marat, dem verrufensten Manne der Zeit, öffentlich Gemeinschaft gepflogen hat? Hören wir, wie Michelet, der begeisterte Lobredner Danton's, über diesen Club urtheilt, der die vornehmste Staffel zu den Erfolgen Danton's wurde:
„Der Geist der Cordeliers, der ein durchaus iustiuctiver war und bald Erleuchtung, bald Besessenheit bezeugte, war von dem berechneten Enthusiasmus und finstern Fanatismus der Jacobiner durchaus verschieden. Die Cordeliers waren sehr viel volksthümlicher als die Jacobiner .... ihr Club nicht sowohl französisch als parisisch .... Geriethen die Cordeliers in Wuth, so vibrirte ganz Paris .... Ihre Eigenthümlichkeit bestand darin, fortwährend mit dem Volke in Beziehung zu stehen, vor offenen Thüren zu verhandeln, mit der Masse ununterbrochen Gemeinschaft zu halten .... sie glaubten an das Volk und hatten Vertrauen zu dem Jnstinct desselben .... Die Führer Danton, Desmoulins und Marat besaßen darin ihre Stärke, sie stießen aber zugleich auf die Unmöglichkeit einer Organisation. Sie sahen in jedem einzelnen Manne das Volk, sie verlegten das souveräne Recht desselben in jede einzelne Stadt, jede Section, jeden Club, jeden Bürger. Schließlich besaß jeder Einzelne ganz Frankreich gegenüber ein Veto."
Den ersten Schritt aus die politische Bühne that Danton im November des Jahres 1790. Als Sprecher von vier Pariser Sectionen erschien er am 10. November,