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Deutsche Rundschau.
gegen das revolutionäre Gebühren der parlamentarischen Linken richten und galt für ausgemacht, daß das „Land", die ungeheure Mehrheit der außerhauptstädtischen Franzosen, zur Sache der constitutionellen Monarchie halte und mit den Feuillants sympathisire. Das Vertrauen auf diese immerhin günstigen Umstände hatte dem König den Muth gegeben, in zwei wichtigen Fragen von seinem Vetorechte Gebrauch zu machen und den unehrerbietigen Protest Roland's, mit der Entlassung dieses Ministers und zweier seiner Collegen (Servan und Claviäre) zu beantworten. Entschloß der Hof sich zu einem ehrlichen und vollen Frieden mit der constitutionellen Partei und dem an der Spitze ansehnlicher Streitkräfte stehenden Lafahette, so war alle Aussicht daraus vorhanden, die Pariser Meuterer zu Paaren zu treiben und die ohnehin in endlosem Hader liegenden beiden demokratischen Parteien zu erdrücken. Der besonnene Theil der Nation, der den Muth seiner Meinung noch nicht vollständig eingebüßt hatte und der dem Pariser Pöbeltreiben seit lange mit Unwillen zusah, wäre unzweifelhaft bereit gewesen, dem Könige zu Hülse zu kommen, wenn derselbe durch muthiges Handeln das Vertrauen der Ordnungsfreunde gehoben und zugleich Bürgschaften gegen die Wiederkehr des noch immer als Schreckgespenst angesehenen alten Regiments geboten hätte.
Ungleich genauer als in der Umgebung des zaghaften, von unvertilgbarem Mißtrauen gegen die Constitutionellen erfüllten Monarchen, war man im demagogischen Hauptquartier mit der Sachlage bekannt; ja, man hielt für unglaublich, daß der Hof von derselben nicht Nutzen zu ziehen versuchen werde. Alles schien daran gelegen, der Sammlung der conservativen Elemente zuvorzukommen und einen Schlag zu führen, der dieselben entmuthigte, bevor sie ihrer Kraft bewußt geworden waren. Zu diesem Behuf wurde die Emeute vom 20. Juni in Scene gesetzt, die mit einem Pöbelzuge in die gesetzgebende Versammlung und mit einem Pöbelsturme in die Tuilerien endete. Noch lagen die Dinge indessen so zweifelhaft, daß man von sicherer Rechnung auf den Erfolg weit entfernt war, daß Robespierre direct abmahnte und daß Danton an den vorbereitenden Maßregeln nur mittelbar Theil nahm. Entworfen wurde der Plan in dem Hause des reichen Bierbrauers und Nationalgarden - Generals Santerre (eines ausgemachten Dummkopss), der seine Freunde — den Fleischer Legendre, den Friedensrichter Mouchat, den Officier der Nationalgarde Alexandre, den berüchtigten Ex-Marquis Saint Hurugue, den Polen Lazuski, den sogenannten Amerikaner Fournier (einen Auvergnaten) — seit dem 19. Juni allabendlich zu geheimen Berathungen versammelte. Alle Wahrscheinlichkeit spricht dafür, daß Legendre bei diesen Zusammenkünften als Agent Danton's thätig gewesen sei. Die Mehrzahl der Verschworenen gehörte dem Club der Cordeliers an und bestand aus beschränkten und eitlen Fanatikern. Legendre war als Schildknappe Danton's bekannt, und dieser selbst hatte im Jacobinerclub Reden geführt, die als Anspielungen auf das bevorstehende (übrigens vom Club nicht befürwortete) Losbrechen gedeutet werden müssen.
Das Gelingen des Handstreichs vom 20. Juni und der Zustand der Entwürdigung, in welchem die Krone sich seit den schmählichen Vorgängen in den Tuilerien befand, ließen die Niederwerfung der Monarchie als bloße Frage der