Heft 
(1892) 70
Seite
50
Einzelbild herunterladen

50

Deutsche Rundschau.

Geschäfte zu übernehmen. Alle diese Vorbereitungen waren so weit getroffen, daß Danton den Vorabend des 10. August in seinem Hause verbringen konnte. Die demselben nahe befreundete Frau Lucile Desmoulins (Camille's Gattin) berichtet darüber das Folgende:

Mittags hatten wir Marseiller zu Tische bei uns gehabt und uns gut unterhalten, nach dem Essen gingen wir zu Danton's. Frau Danton weinte und zeigte sich tief betrübt, der Kleine sah ziemlich verdutzt drein, Danton selbst war ruhig und entschlossen ich lachte wie eine Tolle. Sie (die Männer) fürchteten, daß die geplante Unternehmung am Ende nicht zu Stande kommen würde, ich behauptete das Gegentheil, obgleich auch ich meiner Sache nicht sicher war.Aber wozu denn dieses Gelächter?" fragte Frau Danton.Es ist," gab ich zur Antwort,ein Vor­gefühl davon, daß ich heute Abend weinen werde." Es war schönes Wetter, und wir machten einen Gang durch die Straße, die ziemlich belebt war. Es begegneten uns Sansculotten, welche Vivo ln nntion" riefen, dann Reiterabtheilungen, endlich eine Masse Truppen. Jetzt ergriff mich Furcht und ich bat Frau Danton fort zu gehen. Sie lachte Anfangs, wurde indessen von meiner Furcht angesteckt. Ich sagte ihrer Mutter Lebewohl, indem ich hinzufügte, daß die Sturm­glocke sogleich ertönen werde .... Alle Welt begann sich zu bewaffnen, auch mein Camille erschien mit einem Gewehr, und ich stürzte in den Alkoven, um meine Thränen, meine Schwäche zu verbergen. Als wir einen Augenblick allein waren, theilte ich ihm meine Befürchtungen mit, er aber sagte mir, daß er Danton nicht verlassen werde .... Endlich zogen unsere Patrioten ab Danton legte sich für einen Augenblick nieder gegen Mitternacht holte man ihn in den Gemeinderath ab, dann begann die Sturmglocke ihr Geläute, das noch lange fortdauerte .... Frau Danton schien auf den Tod ihres Mannes vorbereitet zu sein; als Morgens früh die Kanonen zu donnern begannen, vermochte sie sich aber nicht mehr zu beherrschen, sie erblaßte und siel in Ohnmacht."

Der Gang der Ereignisse des 10. August 1792 ist zu häufig erzählt worden, als daß eine ausführliche Darstellung desselben hier am Platze wäre. Die Er­setzung der städtischen Behörden, welche der freien Entfaltung des Ausstandes die Wege geebnet und dann einem revolutionären Gemeinderathe Platz gemacht hatte, die von diesem angeordnete Abberufung des zuverlässigen und muthigen Befehlshabers der Nationalgarde Mandet, die Zweizüngigkeit, mit welcher der Departements-Präsident Roederer den marklosen König zur Flucht in das Heiligthum" der gesetzgebenden Versammlung bestimmte, und der Mangel jeder entschlossenen Leitung der königlichen Sache führten zum Siege der Insurgenten über die tapferen und durchaus widerstandsfähigen Schweizer und die loyalen sechshundert Edelleute, die sich am Abend des 9. August zum Schutz des Königs in den Tuilerien versammelt hatten. Die herkömmlichen Berichte über den Heldenmuth der Freiheitskämpfer gehören ebenso in das Fabelbuch, wie die Märchen von Danton's persönlicher Betheiligung am Kampfe. Das Beste hatte nicht die Tapferkeit der Stürmenden, sondern die Verrätherei der mit der Sicher­heit der königlichen Familie betrauten Stadt- und Departementalbeamten gethan; Danton hatte sich weder unter den erfteren, noch unter den letzteren befunden, sondern im Stadthause die politische Action, insbesondere die Einsetzung des neuen revolutionären Gemeinderaths geleitet, welchem beiläufig bemerkt Robespierre erst Tags nach erfochtenem Siege beitrat. So verstand sich von selbst, daß das beste Stück der Beute Danton zufiel, und daß er es war, der während der folgenden Tage die entscheidenden Bestimmungen traf. Sein Werk war die Entsendung der städtischen Deputation, welche das Parlament zur Sus­pension der königlichen Gewalt, zur Entsendung von Commissarien an die Armee