Heft 
(1892) 70
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Deutsche Rundschau.

tung des unglücklichen Monarchen gedacht zu haben. Danton's bekannten Aus­spruch:Wenn wir ihn nicht richten können, so können wir ihn doch tödten", war ein anderes Wort gefolgt:Ein Volk rettet sich, aber es rächt sich nicht", und von dem Eifer, mit dem er die ihm übertragene Mission nach Belgien über­nahm, hieß es, derselbe sei wesentlich auf die Absicht zurückzusühren gewesen, dem Proceß über den König fern zu bleiben und dadurch den Wünschen der dem Tode entgegengehenden Frau Danton zu entsprechen.

Nach Belgien waren Danton und sein Freund Lacroix gesandt worden, um das gestörte Einvernehmen zwischen Dumouriez und der Regierung wieder­herzustellen , das Verpflegungswesen zu überwachen und eine den Wünschen des Convents entsprechende Entscheidung über die Zukunft des oceupirten Grenz­landes herbeizuführen. Der commandirende General, der dem täglich zunehmen­den Einfluß des Jacobinerthums unwillig zusah, über die Erbärmlichkeit des Lieserungs Wesens Klage führte und überdies das Leben des Königs geschont wissen wollte, war den Parisern Machthabern und der von seinem Todfeinde Marat ge­leiteten Commune seit lange verdächtig geworden, um so verdächtiger, als er der Einverleibung der oceupirten Länder in das französische Staatsgebiet aus politischen Gründen widerstrebte und Geistlichkeit und besitzende Classen derselben sichtlich begünstigte. Danton sollte die Annexion durchführen, zugleich aber den Versuch anstellen, einen Bruch mit dem General zu vermeiden, den man zur Zeit für unentbehrlich hielt. An eine Lösung dieser einander ausschließenden Aufgaben war der Natur der Sache nach nicht zu denken. Sollte die Annexion Belgiens durchgesetzt werden, so mußten die Leidenschaften der unteren Klassen zu Hülfe gerufen, der belgischen Aristokratie und dem Clerus die Machtmittel entwunden werden; der Auftrag, die für die Fortführung des Krieges erforderlichen Mittel zu beschaffen, war gleichbedeutend mit der Ausschreibung von Contributionen und mit buchstäblicher Ausführung des am 25. December erlassenen Decrets, die Vermögen der Kirchen und Korporationen einzuziehen, ja das Kirchensilber einzuschmelzen. Trotz der Schonung, die er Dumouriez angedeihen ließ, wandte Danton sich dem ersten Punkte der ihm ertheilten Instruction mit besonderem Eifer zu, weil derselbe seinen Neigungen und feinem Talent entsprach. Mit sichtbarem Erfolg wußte er die Revolutionirung Lüttichs und die Gewinnung der dortigen Demokraten für den Annexionsgedanken durchzusetzen, die Wider­strebenden niederzuhalten und im Einzelnen so weit Nachsicht und Milde zu üben, daß die Bevölkerung nicht zum Aeußersten gebracht wurde. Daß er seine administrativen Befugnisse mit Pariser Specialcommissaren zu theilen hatte, daß diese mit der Gier heißhungriger Wölfe über das reiche Land Hersielen, daß Danton in der Wahl der angewendeten Mittel weder selbstlos noch bedenklich war, und daß die nach Paris berichteten Annexionsgelüste ein Gaukelspiel dar­stellten, verstand sich unter den gegebenen Umständen von selbst. Immerhin war es sein Verdienst, daß die Dinge sich in einem gewissen Gleichgewicht hielten, daß mit Dumouriez eine Art Einverständniß erhalten wurde, und daß Blut- und Gewaltmaßregeln, wie die Pariser Terroristen sie verlangten, nicht zur An­wendung kamen. Um sich nach beiden Seiten zu decken, warf der gefürchtete Mann vorkommenden Falls mit den entsetzlichsten Droh- und Kraftworten um sich, während er in der Stille fünf gerade sein ließ, private Beschwerden berück-