Danton.
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sichtigte und selbst den nach Belgien geflüchteten Emigranten Gelegenheit zum Entrinnen bot.
Nach kaum dreimonatlicher Entfernung von der Hauptstadt wurden die Convents-Commissarien zurückberufen, um Bericht zu erstatten und an den Verhandlungen über den Proceß des Königs Theil zu nehmen. Die Lage, welche sie vorfanden, war wenig erbaulich. Innerhalb des Convents tödtlicher Haß zwischen den beiden Parteien, welche das Heft in Händen hielten; außerhalb und in nächster Umgebung eine Vorherrschaft der Pariser Commune, die sich abwechselnd in Beleidigungen der Volksvertretung und in derselben dictatorisch ertheilten Weisungen manifestirte. Blickte man von der Hauptstadt auf das Land, so herrschte dort eine Erbitterung der Massen gegen die Pariser Gewaltherrscher, deren Ausbruch nur noch Frage der Zeit war. Wurde das Leben des Königs geschont, so erschien unvermeidlich, daß der verwilderte Pariser Pöbel über die Volksvertretung herstürzte; fiel das geheiligte Haupt des Monarchen, so mußte man sich einer Erhebung des Landes gegen die Hauptstadt vergewärtigen. Für Danton kam hinzu, daß seine mehrwöchentliche Abwesenheit von Paris den Einfluß Robes- pierre's und des reinen Jacobinerthums abermals gesteigert hatte, und daß er sein Haus in der denkbar traurigsten Verfassung vorfand. Frau Danton siechte unaufhaltsam dahin, die Aerzte erklärten ihr Leben für verwirkt — sie selbst sah ihrer Auflösung so resignirt entgegen, daß sie nur noch mit der Zukunft ihrer Kinder beschäftigt war und daß sie dem trostlosen Gatten zur Pflicht machte, denselben in der Person einer jungen Freundin, Sophie Gsly, die zweite Mutter zu geben. Danton war so schwer betroffen, daß er für einen Augenblick der öffentlichen Angelegenheiten vergaß. Obgleich am 14. Januar (1793) beschlossen worden war, daß folgenden Tages über die Frage „Ist Ludwig Capet schuldig" abgestimmt werden und daß jeder Deputirte sein Votum von der Tribüne herab geben und im Protocoll unterschreiben sollte, blieb er der Conventssitzung vom 15. fern. Wollte er der Sterbenden den Schmerz ersparen, an dem Urtheil über ihren König Theil genommen zu haben, hatte er das Krankenbett derselben nicht verlassen oder einer Entscheidung aus dem Wege gehen wollen, deren Consequenz die Alleinherrschaft des Jacobinerthums sein mußte? Die Sache erregte so großes Aufsehen, daß Danton während der folgenden Tage seinen Sitz wieder einnehmen und sich die Entfernung des auf sein Ansehen gefallenen Schattens angelegen sein lassen mußte. So dicht hatten sich die Furien der von ihm selbst großgezogenen Commune an seine Fersen geheftet, daß er für die Auslieferung der von derselben verlangten Geschütze, für Urtheilsfällung durch einfache Stimmenmehrheit reden mußte und daß er sein Votum für die Todesstrafe und gegen die Berufung an das Volk abgab. Die ihm von Bertrand de Moleville beigelegte Phrase: „Der Kops des Königs muß den Alliirten als Fehdehandschuh hingeworsen werden," hat er nicht gebraucht; für die Stimmung, die ihn während der folgenden Tage beherrschte, sind vielmehr die Worte bezeichnend, mit denen er seine, nach der Ermordung Lepelletiers gehaltene Versöhnungsrede beschloß: „Ein glücklicher Tod — wenn ich erst so weit wäre." Kaum drei Wochen später (10. Februar t793) starb Frau Danton; sterbend soll sie dem Gatten die Heirath mit Sophie G6ly nochmals zur Pflicht gemacht haben.