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Deutsche Rundschau.
Danton's Verehrer behaupten, das beste Theil seiner Kraft sei in der Gruft seiner Frau mit begraben worden. Daß sein Schmerz ein heftiger und aufrichtiger gewesen und daß er die geliebte Leiche acht Tage nach der Bestattung Wieder ausgraben ließ, um ihre Züge noch einmal zu sehen, ist historisch beglaubigt, der von diesem Zeitpunkt datirende Rückgang seines Einflusses dagegen auf andere Umstände, genauer auf einen Umstand zurückzuführen. Sein Geschick war an das der Girondisten geknüpft. Vereint konnten Girondisten und Dantonisten dem in Robespierre verkörperten Jacobinerthum die Wage halten; blieben sie getrennt, so mußte an die Einen die Reihe kommen, nachdem die Andern gefallen waren. Danton's Verhalten während der Katastrophe, die den Untergang der Gironde herbeiführte, bildet darum den politisch wichtigsten, wenn man will, den einzigen wichtigen Punkt in der Geschichte seines letzten Lebensjahres.
Zu eingehender Aufzählung der Gründe, welche den Gegensatz zwischen den beiden republikanischen Parteien bedingten, bedürfte es einer Recapitulation der gesammten Revolutionsgeschichte. Praktisch kamen vornehmlich zwei Fragen in Betracht. Die Verantwortlichkeit der Gironde für den Gang des Krieges, zu Welchem sie getrieben hatte und der durch einen ihrer Freunde (Dumouriez) geführt wurde; dann das Sträuben dieser Partei gegen die Vergewaltigung, welche das Pariser Jacobinerthum an der Volksvertretung übte. Rücksichtlich der ersten Frage stand Danton wesentlich auf dem Standpunkt der Gironde, indem er Dumouriez nach Möglichkeit vertheidigte, die Nichtveröffentlichung der herausfordernden Briese des Generals anrieth und, als der Bruch unheilbar zu werden drohte, die Entsendung von Commisfarien durchsetzte, welche eine Verständigung versuchen sollten. In Sachen des Verhältnisses zu der Pariser Commune war seine Taktik von derjenigen der gemäßigten Partei verschieden, während rücksichtlich der letzten Ziele ein principieller Gegensatz kaum bestand. „Das Laud" gegen die Hauptstadt auszuspielen, hielt Danton für unmöglich, weil er wußte, daß die ungeheure Mehrheit der Bürger der Provinzen der Republik zu fern stand, um die Sache der Begründer der neuen Staatsform (eben der Girondisten) zu der ihrigen machen zu wollen. Wie die Verhältnisse einmal lagen, war Paris für den Bestand der Republik unentbehrlich, und es mußte mit ihm gerechnet werden. Der Gefahr, welche die Pariser Gemeinde der Volksvertretung und der gemäßigten Mehrheit derselben androhte, konnte seiner Meinung nach die Spitze nur abgebrochen werden, wenn man die Erregtheit der Massen gegenstandslos machte und der Wiederkehr eines zweiten September durch Organisation der revolutionären Justiz zuvorkam. Dieser Gedanke lag Danton's großer Rede vom 10. März 1793, der bedeutendsten, die er überhaupt gehalten, zu Grunde.
Während vor den Thüren des Convents ein Ausstand tobte, dem man ihm zur Last legte, obgleich derselbe gegen sein Programm gerichtet war, empfahl er in flammender Rede die Erneuerung des außerordentlichen Gerichtshofs (des späteren Revolutionstribunals), der bereits im August des Vorjahres beschlossen, wenig später aber wieder aufgegeben worden war. Indem er gleichzeitig festere Einrichtung der Ministerien und energische Fortsetzung des Krieges verlangte, sah er es auf Ableitung der populären Leidenschaften und auf die Schaffung von Autoritäten ab, welche dieselbe in Schranken halten könnten. Da der Minister Baurnonville die Truppen zum Schutz des Convents entboten und