Heft 
(1892) 70
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Shakespeares Königsdramen von Richard II. bis zu Richard III.

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unedel im Grunde seine Triebe und Gesinnungen sind, Motive und Verdienste, die uns imponiren, patriotische Entrüstung über die Verluste Englands in Frank­reich, Verachtung der Günstlingswirthschaft unter dem schwachen König und den Drang, mit diesem Unsug aufzuräumen.

Und, wie nun sonst in Stücken, die sich um Charaktere drehen, also in Komödien, so gruppiren sich auch hier um die beiden Hauptpersonen eine Menge von anderen ebenfalls eigenartig charakterisirten Personen, welche mit ihm in ihrer Art contrastiren, die junge Königin, die ihren Mann von vornherein übersieht, und ihr Günstling Susfolk, der biedere alte Lord Protector Gloster, Oheim des Königs, der mit seiner strengen Rechtlichkeit und durch den Ehrgeiz und die Ränke seiner Frau in eine schiefe Stellung kommt, der hochmüthige und durchtriebene Cardinal, Großoheim des Königs, dazu eine Reihe von intriguanten Höflingen und gewaltigen Rittern, obenan der mächtige stolze Warwick, der in der Folge die Könige abwechselnd einsetzt und wieder stürzt u. s. w. Durch eine solche Zusammensetzung des Hofstaates aus allerlei ehrgeizigen Großen um den schwachen König, die jeder auf seine Art nach Macht und Einfluß streben, ist schon von selbst der Grund zu beständigen Jntriguen und Kämpfen gelegt, in dem Alle gegen Alle sich verschwören und am Ende der oben bleiben muß, der es am besten versteht, seine Zeit abzuwarten und die Anderen für sich arbeiten zu lassen. Das ist Pork. Der König muß am Ende unterliegen, und Jork muß triumphiren. Und wenn nun so der Ausgang der Geschichte in der Verschiedenheit der Charaktere begründet ist, wie es im wirklichen Leben oft vorkommt, so bedarf es gar keiner sehr verschlungenen Handlung, um zu diesem Ausgange zu führen. Es liegt in der Logik der Dinge, daß sich dies Resultat derselben in einer Reihe von Anlässen oder Gelegenheitsverwicklungen Schritt für Schritt schon im ersten Acte von selbst herausstellt.

Im zweiten Acte beginnt eine frische Gruppirung der Parteien und eine Umgestaltung der Jntriguen mit dem Eintritt der neuen jungen Königin, ein­geführt durch ihren Günstling Suffolk, der sie aus Frankreich geholt hat. Niemand ist damit zufrieden, und dennoch sind gleich Alle bereit, sich mit diesem ver­bundenen Paare gegen den Mann, der bisher die Macht als Vertreter des jungen Königs in Händen hatte, den braven Protector Gloster, auch zu verbünden. Sie fassen ihn an seiner schwachen Seite. Das ist seine Frau, die sich bei faulen Zauberkünsten im Bunde mit einer Schwindlerbande erwischen läßt. Im zweiten Acte wird sie verurtheilt. Ihr Mann läßt sie fallen, wird aber doch mit bloß­gestellt, und nun zieht sich das Netz der Verschwörer eng um ihn zusammen. Jork sieht das Alles gern und hetzt auch etwas mit dazu, hält sich aber doch vorsichtig fern und bearbeitet nun in der Stille die tapfersten und mächtigsten Lords, die mit ihm über die Verluste in Frankreich grollen, für seinen Erb­anspruch an die Krone. Im dritten Acte kommt die Jntrigue zum Ausbruche, die den Protector stürzen soll. Er wird von Suffolk und dem Cardinal im Bunde auf allerlei Unrecht, das er in der Verwaltung begangen haben soll, Peinlich verklagt, und der schwache König läßt ihn in die Hände seiner Feinde fallen. Er fühlt nicht nur, daß der Oheim unschuldig ist, auch daß er selbst mit ihm seine letzte Stütze verliert, und läßt ihn doch gefangen abführen, damit