Heft 
(1892) 70
Seite
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Shakespeare's Königsdramm von Richard II. bis zu Richard III. 83

macht sich selbst auch über sie mit seinen Spießgesellen ausgelassen lustig, während sein jüngerer Bruder schon an Staatsgeschästen Theil nimmt. Aber als er dann auf einmal in der Kneipe mit der Nachricht aufgestört wird, daß durch den Aufstand der Großen gegen seinen Vater eine ernste Gefahr für Krone und Reich eingetreten ist, und daß es gilt zu fechten, ist er gleich zur Hand, ent­schuldigt sich bei dem Vater wegen seines bisherigen Leichtsinns und tritt sofort als junger Kriegsheld mit in den Kampf gegen die Rebellen.

Um ihn gruppiren sich nun die verschiedenen Nebenfiguren, die sich zu dieser harmonischen Natur wie einseitige Abbilder der allerlei in ihr vereinigten Neigungen und Fähigkeiten verhalten. Allem voran das Zerrbild des bloßen Aufgehens im gemeinen Rauf- und Sausleben, der dicke Hans Falstaff, der heruntergekommene alte Junker und elende Strohrenommist, bei dem jede Art von ritterlicher Kraft und Würde im Fressen und Saufen, und was noch schlimmer ist, aufgeht, woneben er sich aber doch immer noch einen solchen Rest jovialer Lebenslust bewahrt hat, daß frische, junge Leute, wie der Prinz, ihr Vergnügen daran haben können, Unfug mit ihm zu treiben und sich über ihn lustig zu machen. Außerdem wird er auf Verwenden des Prinzen im Krieg doch auch noch als Landwehrofficier mitgeschleppt. Bei uns jetzt wäre er freilich längst aus- rangirt. Auf der anderen Seite nun der größte Gegensatz aller heitern Bummelei, Heinrich Percy, der Heißsporn des Nordens, der stramme, polternde, früh­reife, streitbare Ritter, der sich beständig im Felde mit Schotten und Welschen herumschlägt, aber sich auch in seinem ungestümen Muth vor der Zeit in die bösen Händel des Aufstandes gegen den König, den er vorher hat einsetzen Helsen, verwickeln läßt. Dazu sein famoses treues Weib Käthe, die ihm droht, den kleinen Finger abzubrechen, wenn er ihr nicht gleich die volle Wahrheit sagt, und sich dann doch beruhigt, wenn sie nur hört, daß er sie mitnimmt. Der König beneidet den Vater, der so einen Sohn hat, und wünscht sich, daß er mit ihm tauschen könne, weil er fürchtet, daß dieser junge Held seinem leichtsinnigen Sohne das Schicksal bereiten könne, wie er selbst zuvor Richard II. Der Prinz in seiner Kneipe spottet ihm nach, wie er ein Paar Dutzend Schotten zum Früh­stück umbringt und dann bei seiner Frau über das stille Leben schimpft. Als er ihm dann aber im ernsten Kampf gegenübersteht und ihn schließlich besiegt, da erkennt er seine Verdienste an und rühmt sich, daß er ihn in der Zeit seiner eigenen Unthätigkeit für sich habe arbeiten lassen, um nun die Zier der erworbenen Ehre von seinem Helme zu nehmen und zu gewinnen.

Die Geschichte nun, in welcher diese Personen austreten, ist die Erfüllung dessen, was der gestürzte König Richard II. seinen Gegnern bereits prophezeit hat, daß sie sich selbst nicht vertragen, weil diejenigen, denen Bolingbroke den Thron verdankt, meinen, er müßte ihnen dies ewig danken, und es also wie ein Unrecht empfinden, wenn er ihnen doch den Herrn zeigt; sie ist zugleich das Vorspiel der nachmaligen Empörung des Hauses Jork gegen das Haus Lancaster. Denn jener Northumberland und sein Sohn Percy lehnen sich gegen den König auf, und mit ihnen auch schon Mortimer, der Vorgänger des Hauses Pork im Erb- anspruche auf die Krone. Aber in diesem Nachspiele zu Richard II. und Vor­spiele zu Heinrich VI. ist eben der Unterschied, daß hier der Versuch, den König

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