Heft 
(1892) 70
Seite
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Deutsche Rundschau.

zu stürzen, nicht gelingt, und das mit Recht, können wir Wohl im Sinne Shake­speares sagen. Unter Anderm deshalb, weil hier die Verschworenen nicht darauf ausgehen, an die Stelle des unfähigen Königs einen besseren zu setzen, sondern den, der hart, aber glücklich regiert, zu stürzen und dann das Land mit Hülfe der Feinde, Schotten und Welschen, unter sich zu theilen. Und also, da unser Interesse an der Sache doch offenbar aus Seiten des Prinzen und also auch seines Vaters ist, erscheint der Ausgang des Stückes als ein glücklicher und heiterer, da sie Sieger bleiben, indem sie den Ausstand niederwerfen.

Freilich, wenn wir doch in so ernster Sache nicht umhin können, auch an der Gegenpartei, besonders dem tapfern Percy, menschlichen Antheil zu nehmen, so kommt mit der Verwicklung, in die er sich keck und unüberlegt hineinziehen läßt, und mit dem Ausgange derselben, worin er sein Leben verliert, auch ein tragisches Moment in das Stück, und es ist manchmal nahe daran, daß dieses ernste Interesse der Theilnahme für ihn vorschlägt und uns die Lust zur Heiter­keit über die frohe Jugend des Prinzen oder gar die schlechten Witze seiner Ge­nossen verdirbt. Aber es ist doch immer dafür gesorgt, daß diese Rührung in zweiter Linie stehen bleibt, daß wir theils bei Perch's trotzigem Uebermuth uns doch nicht recht in ihn hineindenken und für ihn und sein Schicksal Partei nehmen, und daß dann auch diese Eindrücke immer wieder schnell durch andere heitere oder gar derb komische bei Seite geschoben werden, und also das komische Element stets überwiegt.

So ist im ersten Theile von Heinrich IV. Komisches und Tragisches, Heiteres und Ernstes freilich auch gemischt; aber doch immer so , daß es sich gegenseitig nicht aushebt, sondern ergänzt, und daß am Ende das Heitere und Komische die Oberhand des Eindruckes behält. Im zweiten Theile dagegen wird beides ohne inneren Zusammenhang in der That, wie Rümelin sagt,schleppend" oder ermüdend weitergesponnen. Der König wird alt und lebensmüde. Die Ver­schwörung gegen ihn zieht sich nach dem Fall des kühnen Percy mühsam in die Länge und wird von den Anhängern des Königs durch eine ziemlich nieder­trächtige Ueberlistung endlich ganz besiegt. Falstaff und Genossen gehen allmälig in niedriger Gemeinheit ganz unter. Der Prinz aber, die alte Hauptperson, die auch hernach als Phönix aus der Asche wieder hervorgehen soll, tritt in den Hintergrund, und nur zuletzt, beim Tode des Vaters, kommt er, mehr theatralisch als dramatisch, wieder zum Vorschein, um sich mit dem Sterbenden nochmals zu versöhnen und dann den Hinterbliebenen, d. h. seinen Brüdern und den treuen, strengen Beamten seines Vaters, überraschend zu imponiren, indem er keineswegs die Befürchtungen rechtfertigt, die sie an seine leichtfertige Jugend geknüpft haben, sondern plötzlich mit Ernst und Würde seine Regierung antritt. Dabei macht es doch eigentlich schließlich nicht einmal einen schönen Eindruck, wenn er seine früheren Spießgesellen nun ziemlich ungroßmüthig verleugnet und verächtlich behandelt. Also erscheint dies Stück im Ganzen ähnlich wie der dritte Theil von Heinrich VI., nur mit noch weniger Aufwand von Inhalt, als ein Lücken­büßer zur Erhaltung des Zusammenhanges der Geschichte zwischen dem vorigen und folgenden. In diesem letzten aber, in Heinrich V. als König, erhalten wir noch einmal ein heiteres Charakterbild.