Ein Jahr bei den Ajaris.
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Die sechsstündige Fahrt durch die weite Ebene der Medjerda und durch die Berge an dem Flusse gleichen Namens hat mir keinen neuen Eindruck hinterlassen. Bilder aus der Provence mit ihren Olivenhainen und weinbebauten Feldern, aus den italienischen Seealpen mit ihren ausgetrockneten Flußbetten voll Sand und Geröll, selbst aus der Haidegegend des nördlichen Deutschlands zogen an mir vorüber. Die arabischen Städte und Dörfer, die der Zug passirt, liegen säst alle von der Bahnstrecke entfernt wie schmale, Weiße Streifen in der Ebene. Nur an den Haltestellen erinnerte mich das Treiben der orientalischen Fahrgäste neben dem französischen Zugpersonal daran, daß ich noch in Afrika war. Kaffee in winzigen Tassen und fetttriefende Kuchen, von braunen Gestalten auf blechernen Schüsseln ausgeboten, erfreuten sich bei dem Publicum großer Beliebtheit. Manchen der Reisenden erwartete an dem Stationsgebäude ein Diener, den grünen Sonnenschirm seines Herrn bereit haltend, der, sein Reitthier besteigend, sich auf den Weg nach irgend einem Markte machte, während der dienstbare Geist, die Pantoffeln in der Hand, eiligen Laufes folgte.
Souk-el-Arba, der Mittwochsmarkt inmitten der weiten heißen Ebene der Medjerda gelegen, ist ein europäisch gebautes Nest, von dessen Zukunft als Handelsplatz man sich viel verspricht, das aber jetzt mit seinen nngepslasterten Gassen und unschönen Gebäuden ein wenig verlockender Aufenthalt sein muß. — Als wir nach der Diligence fragten, die die Verbindung mit Kef besorgt, wies man uns ein enges abgenutztes Gefährt, mit Kisten und Gepäckstücken aller Art angesüllt, vor das ein schwarzhaariger Italiener drei magere Pferde spannte. Aus der Bank vor der Schenke das mitgebrachte Frühstück verzehrend, sahen wir ihm bei seiner Arbeit zu, seufzten beim Anblick eines Riesenkäses — unseres einzigen, aber unangenehmen Mitreisenden, und stiegen dann mit etwas gedämpfter Reiselust in den Wagen, der holpernd unter tausend Stößen hinaus in die Ebene rollte.
Bei der glühenden Hitze, dem schlechten Wege, dessen Steine uns oftmals in Gefahr brachten, den Kops an der niedrigen Wagendecke zu zerschmettern, bedurfte es Wohl der freundlichen Aussicht auf Naturschönheiten und Wiedersehen, um sich die Laune zu bewahren. Rings umher blendende, zitternde, blaue Luft und Weiße Staubwolken; hie und da in der Ferne ein schwarzes Beduinenzelt, daneben das weidende Kameel, wüthende Hunde, die sich bellend auf den Wagen stürzen, Kinder, barfüßig, in blaue Fetzen gekleidet, die, um ein Kupferstück zu erhaschen, uns einen Kilometer weit verfolgen — das Raffeln der Räder das einzige Geräusch in dieser, unter den senkrechten Strahlen der Mittagssonne schlafenden Einsamkeit.
Nach einstündiger Fahrt hat man den Fluß, den Oued - Mellegue, und die Berge erreicht; einen Hügel bergan und bergab, einen zweiten Hügel bergauf, und die Landschaft ist eine andere. Rechts und links vom Wege erheben sich sanfte Berghöhen, von Pinien und immergrünen Eichen bewachsen. Im Rücken liegt die Ebene im Dunst der Mittagsgluth, vor uns, über dem steinigen Wege, der tiefblaue Himmel. Die Straße steigt höher, der westliche Horizont belebt sich mehr und mehr, die Ebene verschwindet, und ein Panorama von Bergen thut sich vor uns auf. Vom tiefsten Stahlblau zum schönsten Violett, wie die Wellen