Heft 
(1892) 70
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Deutsche Rundschau.

eines versteinerten Meeres, liegen die fein geschwungenen Linien über einander, in Schätzungen, wie sie der Pinsel keines Malers nachbilden kann. Auf dern schmalen Pfade kommen uns Beduinen mit Riesenhüten, hoch zu Kameel, entgegen; der schaukelnde Tritt hat sie in einen leichten Schlummer gewiegt, aus dem sie der laute Ruf des Postillons unsanft weckt.

Nebeur, die einseitige Veste Jugurtha's! Am Abhang einer tiefgrünen Schlucht, in der unter dem Schatten breitästiger Oliven ein Vach rauscht, windet sich die Straße, oberhalb des arabischen Dorfes mit seinen niedrigen, aus Stein gebauten Häusern. In dem kleinen Wirthshaus am Wege wurden die Pferde gewechselt, und ich wäre gern den Bergrücken hinaufgestiegen zu einer großen, schön erhaltenen Mosaik, von der mir der Wirth erzählte, hätte nicht der Postillon wieder zum Aufbruch gemahnt. So bekam ich nur das Bruchstück einer anderen Mosaik zu sehen, welche beim Bau der neuen, noch nicht erösfneten Straße, von den Arbeitern gefunden wurde, leider erst nachdem die Dampf­walze darüber hinweggegangen war: ein Medusenhaupt von Genien umschwebt, das mir der Wirth zum Geschenk anbot und das ich nur mit schwerem Herzen zurückließ.

Es ging weiter, immer den Felsweg bergan nach Süden zu. Das Fuhr­werk holperte schwer über die Steine, die Pferde keuchten bei der harten Arbeit, und die Sonne brannte heiß aus das Dach des Wagens. Mit Ungeduld sah ich nach rechts und links, ob ich nicht endlich die erwartete Gestalt zu Pferde erspähte. Wie der Weg sich aufs Neue um eine Bergkante wand, zeigte der Kutscher nach oben auf einen Reiter, der langsam den Pfad herunterkam: Leeo 8uo marito, ora 6 eontenta/ Ich ließ anhalten, sprang vom Wagen und machte ein Stück Wegs zu Fuß neben den Pferden her, um den Ankommen­den zu begrüßen und manche Frage zu stellen über den morgenden Reiseplan in die neue Wohnstätte. Aber die Post wartet nicht, es hieß wieder einsteigen und noch Stunden aushalten. Wir kamen zumDir", der hohen, steilen Fels­wand, die sich wie ein Riesentisch meilenweit hinzieht. Die Schatten wurden länger, der ganze Westen lag mit seinen Bergen in blauen Dust getaucht. Im Osten breitete sich die weite Ebene von Sers vor uns aus, am Horizont von den Gebirgen begrenzt, die das Ziel unserer Reise sind. Die Straße belebte sich mehr und mehr. Heimziehende Herden, von dem Hirten mit Stab und Schalmei begleitet, zahlreiche Reiter aus Maulthieren und niedrigen Eseln überholte der Wagen. Die sinkende Sonne überzog mit einem rosigen Schein das graue Gestein des Felsens zu unserer Rechten und die grüne Ebene zur Linken. Als sie oben hinter den Bergen verschwand und den Himmel in ein Feuermeer verwandelte, lag der Kes vor uns, wie ein etrurisches Felsennest an den Dir" gehängt und von ihren letzten Strahlen malerisch verklärt. Aus der Balustrade am Außenthor lehnten regungslos Weiße Gestalten, um das Schau­spiel von Berg und Thal in der Abendröthe zu betrachten; aus der Ebene zog ein Nebel auf, hie und da blinkten die Lichter ferner Beduinenlager, der Rauch ihrer Feuer durchzog die Luft mit dem Dufte von Rosmarin und Haide. Wir sind im Städtchen, wo in den winkligen, steilen Gassen Dämmerungs­schatten lagern. Vor den Thüren der Häuser aus den steinernen Bänken sitzen