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Deutsche Rundschau.
meine reisegeübten Begleiter, das Pferd zu schonen, damit ich nicht auf halbem Wege liegen bliebe. So verfolgten wir immer in demselben gleichmäßigen Schritt den Weg, der, leicht gewellt, bald sich hob, bald sich senkte. Schon gegen sieben Uhr machte sich die steigende Sonne fühlbar und brannte uns heiß auf den Nacken. Weit und breit kein Baum, kein Strauch, der Kef war verschwunden, andere Berge hatten sich vorgeschoben. Wir ritten durch ausgetrocknete Bäche und rieselnde Flüßchen, an denen unsere Pferde tranken, vor den Augen die sich endlos ausdehnende Fläche mit den Bergen am Horizont. Es mochte gegen elf Uhr sein, sieben Stunden Wegs lagen hinter uns, als wir an eine einsame Saline kamen. Hier, am Ufer eines träge dahinfließenden salzigen Baches standen ein paar elende Lehmhütten, von ihren Bewohnern verlassen, die ihre Heimstätte vielleicht schon lange an einem anderen Orte gesucht hatten, wo der Gewinn leichter zu finden war. Im Schatten einer dieser mit Reisig und Halfa gedeckten Garurbis, wie sie der Sprachgebrauch der Europäer nennt, machten wir Rast- Aus den Satteltaschen wurde das Frühstück geholt und mit dem Spahi getheilt. Der Kutscher brachte unter dem Bock seines Wagens ein thönernes Gefäß mit frischem Wasser hervor — ein Genuß, den nur der verstehen kann, der einmal in diesem Lande reiste.
Wenn wir in Tunis, bei manchem Spaziergang um die Thore der Stadt, im Anblick des Volkes und der Herden am Brunnen an das Neue Testament gemahnt wurden, weil uns plötzlich die Bilder zu jener uns so altbekannten und doch so fremden Welt vor Augen standen, so kamen mir bei dem heutigen Ritt durch das wasserarme Land die Reisen Jsaak's und Jakob's in den Sinn. Wie Isaak von dannen zog und sein Gezelt im Grunde Gerar aufschlug und die Wasserbrunneu graben ließ, wie sich die Hirten um das Wasser zankten und Brunnen um Brunnen gruben, bis Wasser für Alle da war, und doch Isaak nach kurzem Aufenthalte einen neuen Wohnort wählte: so ziehen die Beduinen für den Bedarf täglicher Nahrung mit ihrem Zelt von Weideplatz zu Weideplatz und lagern dort, wo sie Wasser finden für sich und ihre Herden, um wieder aufzubrechen, sobald der Acker abgeerntet und die Quellen versiegt sind-
Lange konnten wir nicht die Ruhe genießen, es galt wieder zu Pferde steigen, wollten wir bei Zeiten die Nachtherberge erreichen. Die endlosen Flächen, mit Halsagras und stachlichtem Ginster bewachsen, wollten kein Ende nehmen. Beim Flüßchen Tessäa, das in einem tiefen Bett über Schlamm und Steine stießt, machte uns der steckengebliebene Wagen großen Zeitverlust, die Wege wurden jetzt tiefer, die Ebene zeigte fruchtbares Weideland und das Vorwärtsgehen war beschwerlich. Endlich erschien unter einer Gruppe von grünen Bäumen ein weißer Punkt, das einzige steinerne Haus auf Meilen im Umkreise. Gegen vier Uhr sind wir hier im sogenannten Bordje - el - Assis angelangt. Es liegt unter Maulbeerbäumen, von den großen schwarzen Zelten umgeben, unter denen der Stamm der Bni-Rezek haust. — Der Kaid, oder Stammeshäuptling, kam uns entgegen. Ein großer, magerer Mann, in den Vierzigen, in ein schönes Gewand von Pfirsich - blüthener Seide gekleidet, um den Kopf einen gestickten Turban. Wir mußten uns in ein kühles Zimmer am Hofplatz setzen, Kaffee trinken und auf manche Fragen Antwort geben.