Heft 
(1892) 70
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Ein Jahr bei den Ajaris.

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einen Schakal schießt. Es wimmelt hier von solchen Thieren, zumal am Markt­tag, wo sie unter den Oliven ihre Nahrung suchen. Manchmal schleichen sie gar bis an die Küchenthür und erschrecken die ahnungslose Piemontesin, die am Herde hantirt.

VI.

30. October.

Wir haben Gäste zum Frühstück gehabt. Um sie, und vor Allem ihre religiöse Ueberzeugung zu ehren, war Alles auf gut muselmännisch mit Oel zu­bereitet. Adalgisa meinte allerdings, ich mache zu viel Umstände, die Araber seien alleeassatsstiZ würden doch nicht zufrieden sein und die Hälfte stehen lassen; ich aber wollte die europäische Gastfreundschaft zu Ehren bringen und hörte nicht auf ihren Rath. Der Tisch war sauber gedeckt mit weißer Serviette und meinem besten Silberzeug. Um elf erschienen die Geladenen. Bel-Kassem aus Elles mit seinem Bruder Tajeb und Herr Salem-Debbich, ein Häuptling der Ouled-Ajar. Bis es Zeit zum Essen war, wärmte man sich am Ofen, und Bel-Kassem las laut das Märchen von demSchneider und dem Buckligen" aus Tausend und eine Nacht vor, was die Anderen mit offenem Munde anhörten. Dann wurde aufgetragen, und man setzte sich zu Tisch. Kaum war das übliche diMnUaiV gesprochen, so ergriff schon Tajeb die Wasserflasche, um sie an den Mund zu führen, während die übrigen Gäste es sich angelegen sein ließen, jedes Stück Tischgeräth einer genauen Prüfung zu unterziehen und an einen falschen Platz zu stellen. Mit den Speisen ging es nicht besser; sie wurden berochen und nach rechts und links gewendet, keiner wagte sich daran. Sich verstohlene Winke gebend und leise Gebete murmelnd, griffen sie endlich zu. Der Gabel ungewohnt, mußten die Finger ihre Stelle vertreten. Bald zeigte das Tischtuch allerlei Spuren des Genossenen. Doch unsere Gäste waren durchaus nicht befriedigt, was ihre Blicke deutlich ausdrückten. Als ich gar wagte, ihnen ein Hühnerragout vorzusetzen, und dabei auf dringende Fragen gestehen mußte, daß das Huhn nicht im Namen Allah's geschlachtet war, ließen sie es mit Verachtung stehen. Schließ­lich hoben sie die Tafel auf, als es ihnen beliebte, winkten durch das Fenster ihre Sippe herbei und tractirten sie mit Kuchen, indem sie einstimmig versicherten, mein Gebäck sei nichts Werth und ihr eigenes viel besser.

Ich habe geschworen, daß es das letzte Mal ist, daß ich mir solche Gäste

lade.

VII.

30. November.

Früh um acht Uhr sind wir mit Frühstück und Zeichenbuch in der Sattellasche sortgeritten nach der Römerstadt Zenfour, die, fünfundzwanzig Kilometer weit, unten in der Ebene liegt. Es ging durch ein enges Seitenthal, das rechts und links von Felsen eingefaßt ist, langsam über Geröll einen sich windenden Pfad bergauf und endlich den Nordabhang des Gebirges hinunter ins Felsenthal von Elles. Dort hängen wildgeformte Steinblöcke über den schmalen Fußsteig, als Wollten sie den Wanderer zerschmettern. Der unten fließende Gebirgsbach hat

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