Heft 
(1892) 70
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Deutsche Rundschau.

weigerte sich, den Bardi und den Peruzzi, die sich beide kurz zuvor durch Meister Giotto in Santa Croce ihre Grabkapellen hatten ausmalen lassen, ihre Guthaben zu zahlen. Und sie betrugen doch rund zwöls Millionen Mark in damaliger Goldmünze l Andere Könige folgten, wenn auch mit geringeren Summen, diesem Beispiele, und du großen Handelshäuser der Bardi und Peruzzi mußten 1346 salliren. Ubaldino Peruzzi hat mir erzählt, daß er in den Häusern vornehmer Engländer besonders freundlich ausgenommen worden sei, als hätten sie das Unrecht, das die englische Krone an seinen Vorfahren begangen, wieder gut zu machen. Noch härter als dieser furchtbare Schlag traf die Familie die Rückkehr Cosimo^s de Medici aus der Verban­nung (1434). Sie hatte mit den Albizzi, den Corsi, Frescobaldi, Ricasoli und An­deren zu den Oligarchen gehört, und dafür erlitt sie nun bei der Gründung des neuen demokratischen Regiments, aus dem die Herrschaft der Medici hervorging, den Verlust aller politischen Rechte und die Verbannung. Die Familie zerstreute sich in Italien H und Frankreich. Auch nach Deutschland, nach Augsburg, soll eine Linie verschlagen worden sein. Der einzige Peruzzi, der aber hier sicher nachweisbar, ist der kaiserliche Feldoberst Peruzzi, der 1631 Greifswald gegen Banner vertheidigte und hier bei einem Ausfälle erschossen wurde. Ich kann nicht sagen, wann sich der Familie Peruzzi die Pforten von Florenz wieder geöffnet haben, und sie in ihren Palazzoal Par- lagio", in dem kurz nach ihrer Vertreibung, während des berühmten Concils von Florenz, der griechische Kaiser (1439) einlogirt war, zurückgekehrt sind. Tatsächlich standen die Peruzzi in Florenz bei Seite, so lange hier die Midici herrschten. Erst in diesem Jahrhundert sind sie wieder in den Vordergrund der Geschicke ihrer Heimath getreten. Man wird es verstehen, daß in Geschlechtern, deren Geschichte so aufs Un­zertrennlichste mit der großen Vergangenheit ihrer Vaterstadt verflochten ist, die Liebe zu dieser angeboren wird. Es gibt allerdings in Italien auch genug entartete Söhne ruhmvoller Familien, die ihr gesammtes Erbe an geistigen und materiellen Gütern schamlos durchbringen, und die Zeit hat ihr trauriges Geschäft auch an zahlreichen edlen Familien von Florenz beendet. Wer die lange, noch nicht einmal vollständige Liste der Familien Nachsehen will, deren Geschicke mit dem Wohl und Wehe ihrer Heimath aufs Engste verknüpft waren, und die seit dem Aussterben der Medici gleich­falls erloschen sind, der mag sie bei Reumont ^) Nachlesen. Wo aber in einer noch blühenden Familie der Geist der Väter sortlebt, da wird man Lei deren Mitgliedern aus eine Innigkeit und eine Treue des Heimathsgesühles stoßen, von der man sich doch bei uns nur schwer eine Vorstellung macht. Natürlich! Wo gibt es denn bei uns Familien, die in derselben Stadt, man möchte fast sagen in denselben Häusern, seit mehr als sechs Jahrhunderten nachweislich gesessen haben, welche auf die Ge­schicke ihrer Heimath fortdauernd vom größten Einfluß gewesen sind, der römischen Kirche zahllose Häupter geliefert und in ihren Palästen Päpste, Kaiser, Könige, große Gelehrte und Künstler fürstlich bewirthet haben? Unsere städtischen Geschlechter sind jünger als diese italienischen Patricierfamilien und nicht viele von ihnen dauernd in Fühlung mit dem municipalen Leben ihrer Vaterstadt geblieben. Aus einer florenti- nischen Kaufmannssamilie sind souveräne Herrscher, französische Königinnen und Dhnasten- geschlechter in Griechenland hervorgegangen, von Fürsten, Marchesen u. s. w. zu schweigen. Nicht alle haben sich so hoch verstiegen und versteigen wollen. Alle aber wissen, was sie der Vergangenheit ihrer Familie schulden, ohne dabei hochmüthig und insolent zu werden. Sind sie doch auch die Träger einer alten, hohen Cultur.

Ein echter Repräsentant dieser bürgerlichen Vornehmheit war Ubaldino Peruzzi. Zu Pistoja, in einem trefflichen Privatinstitute, zu dessen Lehrern der gelehrte Histo­riker Atto Vannucci gehörte, vorgebildet, bezog er die Universität Siena. Dann hält er sich längere Zeit in Paris zu seiner Ausbildung auf. Sein Onkel, Simone Peruzzi,

Z Der Erbauer der Farnesina, Baldassare Peruzzi, stammt aus dem sieuesischen Zweig der Familie.

2) Geschichte Toscauas, Bd. II, S. 654.