Heft 
(1892) 70
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Ubaldino Peruzzi.

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war Vertreter des Großherzogthums Toscana am Hofe des Königs Louis Philipp. Da der junge Mann sich in technischen Studien ausbilden wollte, besuchte er die Bergakademie in Freiberg in Sachsen und machte dann größere Reisen durch Europa. Auf die Richtung seiner moralischen und intellectuellen Ausbildung scheint sein rechter Vetter, der berühmte Baron Bettino Ricasoli, nicht ohne Einfluß gewesen zu sein. In einem Briefe an ihn dankt der Zwanzigjährige seinem Vetter von Paris aus herzlich für alle ihm erwiesene Theilnahme und Förderung H.

Nach Florenz zurückgekehrt, trat Peruzzi bald in engste Verbindung mit den Politisch-literarisch und volkswirthfchaftlich angeregten Elementen seiner Vaterstadt. Der nationale Gedanke fand damals in Toscana seine Vertretung nur in den vornehmsten Kreisen von Florenz. Gino Capponi, Cosimo Ridolfi, Bettino Ricasoli, und wie sie alle heißen mögen, vereinigten sich zur Pflege patriotischer Gesinnung und zur Hebung des Landeswohlstandes in allerlei mehr oder weniger unverfänglichen Gesellschaften. Sie wollten das durch das mediceische Principat und die Herrschaft der an sich wohl­gesinnten und milden lothringischen Großherzoge in einen tiefen Schlaf eingelullte Bürgerthum wieder zur Thatkraft erwecken.Hier ist Gähnen der tägliche Hymnus", hatte Giusti seinen Freunden mit stacheligem Humor zugerufen und ihnen Leopold II. vorgeführt:

Tori kommt Tosccmas Morpheus, sachte, sachte,

Den Kranz von Mohn und Lattich um den Scheitel,

Der, um sich zu verew'gen, Sumpf und Beutel

Ins Trockne brachte."

Die Bestrebungen der jungen vornehmen Herren, die sich in politisch gemäßigter, aber durchaus nationaler Richtung bewegten, blieben nicht ohne Wirkung auf das Großherzogthum. Im Jahre 1847 entschloß sich die Regierung, der Stadt Florenz wenigstens den Schein größerer municipaler Freiheit zu geben. Ubaldino Peruzzi^s Vater wurde mit der feit der mediceifchen Herrschaft abgeschafften Würde eines Gonfa- loniere der Stadt bekleidet. Die stürmischen Zeiten folgten rasch. Als das demokra­tische Ministerium Montanelli an das Ruder gekommen war, ernannte dieses den sechs­undzwanzigjährigen Ubaldino Peruzzi zum Bannerherrn der Stadt. Hatte es wohl gemeint, den jungen Mann gängeln zu könnern, so irrte es sich. Er bewies Festig­keit gegen die Ausschreitungen einer fantastischen Demokratie, wie dann aber auch sofort darauf gegen eine kopflose Reaction. Von dem Municipio von Florenz, Peruzzi an der Spitze, ging die Einladung an den Großherzog von Toscana, der sich nach Gaeta zurückgezogen hatte, aus, in seine Hauptstadt zurückzukehren. Als aber nun die Oesterreicher das Land auf Jahre besetzten und der Großherzog gegen sein Versprechen die Verfassung des Landes aufhob, da formulirte der junge Gonfäloniere einen in der Form höflichen, in der Sache aber festen Protest gegen diese Revolution von oben und ließ diesen vom Municipio von Florenz annehmen. Die Antwort des Großherzogs war die Absetzung Peruzzi^, der sich zum Director der Verwaltung der Eisenbahn Florenz- Livorno ernennen ließ. (September 1850.)

Die gemäßigte Partei Tosccmas hatte einen politischen Fehler begangen, als sie sich mit den unbedingten Anhängern des lothringischen Herrscherhauses zur Zurück­berufung desselben, ohne genügende Garantien zu erhalten, verbunden hatte. Der Uebermuth der österreichischen Reaction hob diese Allianz dann rasch wieder auf und trieb die Männer, die bisher geglaubt hatten, gute Bürger Toscanas, aber auch gute Italiener bleiben zu können, in das Lager der monarchischen Unitarier. Der Ge­danke, ein einheitliches, starkes Italien unter Führung des Hauses Savoyen herzu­stellen, ergriff jetzt die Köpfe dieser gemäßigten, in ihrer Mehrzahl bis dahin toscanisch gesinnten Localpatrioten. Als man sich in der entscheidenden Stunde an deneisernen Baron" Bettino Ricasoli wendete, erwiderte er:Wenn es sich um das übliche Toscanina handelt, dann besorgt Ihr das; ich mische mich nicht darein; wenn es aber

0 Uiea.8oIi, Usttors, I, x. 73. Deutsche Rundschau. XVIII, 4.

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