Heft 
(1892) 70
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Deutsche Rundschau.

gilt, ein großes Italien zu schaffen, dann bin ich zur Stelle, und Ihr könnt aus mich rechnen." Das Geschick derNuvuloni" so hatten die Florentiner die lothringi­schen Herrscher getauft, da das Besitzergreifungsdecret des ersten von ihnen mitMus voulons" anhebt < war entschieden. Der Großherzog verließ am 27. April 1859 Florenz in einem Reisewagen, undAbends sechs Uhr ging die Revolution ruhig zu Tische", ohne daß ein Blutstropfen vergossen war.

Ubaldino Pernzzi stand an der Spitze der sich bildenden provisorischen Regierung. Seine Herrschaft dauerte aber nur wenige Tage. Die provisorische Regierung bot dem König Victor Emanuel die Dictatnr in Toscana an, und dieser ernannte seinen bisherigen Gesandten in Florenz, Buoncompagni, zum außerordentlichen Kommissar. Die Seele der Regierung wurde aber jetzt der eiserne Baron Ricasoli, der sich etwas von der Fortezza seiner langobardischen Ahnen bewahrt hatte. Pernzzi ging als Gesandter Toscanas an den Hos Louis Napoleons III. nach Paris.

Es war eine überaus schwierige, dornenvolle Aufgabe, die der diplomatische Neu­ling auf diesem gefährlichen Boden zu lösen hatte. Verlockungen und Drohungen hatte er zu überwinden. Der Kaiser hatte erklärt, er wolle die Unabhängigkeit, aber nicht die Einheit Italiens; ein widerspruchsvolles Programm, mit dem er gescheitert ist. Es scheitern zu machen in Betreff Toscanas, das war die Aufgabe Peruzzüs. Darüber, daß, wenn die Einheitsbewegung den Apennin überstiegen und Piemont sich Toscana angegliedert hätte, die Einheit Italiens unaufhaltsam sei, bestand weder hüben noch drüben ein Zweifel. Pernzzi hat mit seiner fast sprichwörtlich gewordenen soa1tr62M, soweit an ihm lag, dazu beigetragen, die Schwierigkeiten zu lösen, die sich der Erfüllung der sehnsüchtigen Wünsche der italienischen Patrioten entgegenstellten. Mit seiner jungen, patriotischen, überaus lebendigen Frau, Emilia Toscanelli, mit der er bis zum Tode in der innigsten Geistes- und Herzensgemeinschaft eine musterhafte Ehe geführt hat, erwarb er in seinem Salon neue Freunde für Italien; die Italien feindliche Politik des Grafen Walewski wußte er zu paralysiren. Nachdem die italie­nische Politik in Paris des Ausganges sicher war, ging Pernzzi nach der Heimath zurück, und Cavour berief ihn als Minister für öffentliche Arbeiten sofort in sein drittes Ministerium. Er behielt diese Stellung bei, als sein Vetter Ricasoli nach dem Tode des großen Staatsmannes am 12. Juni 1861 dessen schwere Erbschaft an­trat. Unter dessen Nachfolger, M. Minghetti, war er Minister des Innern, als

1864 die unglückliche Pariser Convention abgeschlossen wurde, in Folge welcher Florenz zur Hauptstadt des Königreichs Italien erhoben wurde. Dafür hatte Napoleon III. versprochen, Rom zu räumen.

Mit dem Abschlüsse dieses Vertrages begannen schwere Wolken die bis dahin heitere, glückliche Lebensbahn Peruzzi^s zu umlagern. Daß sie ihn nicht erdrückt haben, verhinderte seine auch in dieser Beziehung echt florentinische, elastische Natur. Er hatte klar erkannt, daß die Verlegung der Hauptstadt nach Florenz seiner geliebten Heimath nur Schaden und Unheil bringen werde, und darum in der entscheidenden Ministerialsitzung nicht für Florenz, sondern für Neapel gestimmt. Als nun aber die Würfel gefallen waren, und die Vorbereitungen zur Uebersiedlung des Königssitzes in den Palazzo Pitti getroffen werden mußten, da glaubte er sich der Aufgabe nicht ent­ziehen zu dürfen, seine Vaterstadt für die Aufnahme der Regierung in den nöthigen Stand setzen zu helfen. Das Ministerium Minghetti war bekanntlich mit dem Bekannt­werden des Pariser Vertrages sofort gefallen H, und Pernzzi nach Florenz, dessen Vertreter im Parlamente er von 18601890 ununterbrochen gewesen ist, zurückgekehrt. Er war frei geworden, und hat sich von da an geweigert, je wieder eine Ministerstelle zu bekleiden. Dagegen widmete er sich ganz dem Dienste seiner Vaterstadt. Schon

1865 war er nach dem neuen Communalgesetze zum Stadtrath wieder gewählt worden, und 1868 wurde er zum Sindaco (Bürgermeister) der Stadt erkoren. Es gehörte in

ft Das Ministerium überraschte bekanntlich der Aufstand der Turiner Bevölkerung. Das Geheimniß des Vertrages war durch den Marchese Pepoli verrathen worden, wie mir von durch­aus unterrichteter Seite erzählt worden ist.