Ubaldino Peruzzi. 115
der That viel Liebe zu ihr und eine große Schaffensfreudigkeit dazu, dieses Amt damals anzuuehmen.
War Florenz auch mit Mailand und Turin die modernste und fortgeschrittenste unter den italienischen Großstädten, so fehlte doch noch sehr viel daran, um sie zur Hauptstadt eines großen Königreichs geeignet erscheinen zu lassen. Ruhte sie doch noch in dem Mauerring, der am Ausgange des dreizehnten und im Anfänge des vierzehnten Jahrhunderts um sie gelegt war, und verhinderten die von gewaltigen Palästen eingefaßten engen Straßen im Inneren doch den großstädtischen Verkehr. Regierung und Bevölkerung drängten aus Beschleunigung der zu langsam sich entwickelnden Neubauten und Stadterweiterungsarbeiten. Da griff Peruzzi mit Energie und Arbeitslust ein. Unterstützt von einem ausgezeichneten Ingenieur, Poggi, wurden jetzt Neubauten und Umbauten mit größtmöglicher Schonung des historischen Charakters der Stadt in Angriff genommen. Paläste, die in besonders verkehrsreichen Straßen zu weit vorsprangen, z. B. in der Via Tornabuoni und Via Martelli, wurden sorgfältig niedergelegt, die Seitenwände verkürzt und die Fa^ade wieder vorgesetzt, wie sie gestanden hatte.. Der Lung'arno wurde bis an die Cascinen verlängert, die alte Stadtmauer auf dem rechten Arnonser niedergelegt, ohne daß die alten historischen Thore verletzt wurden, rings um diesen Stadttheil breite Ringstraßen gezogen und mit Bäumen bepflanzt. Und welche eine Straße von der Porta Romana nach der herrlichen, auf mächtigen Substrnctionen ruhenden Piazza Michel Angelo, bis wieder hinunter zur Porta S. Niccolo, wurde hier im Male dei Colli geschaffen! Nach meinem Geschmack ist es die schönste Promenade Italiens.
Alle diese Anlagen verschlangen große Geldsummen. Die Voranschläge wurden weit überschritten, in den Bauverträgen war nicht überall mit der nöthigen Vorsicht vorgegangen. Aber Alles hätte noch ein gutes Ende nehmen können, wenn nicht die Verlegung des Königsitzes nach Rom (1870) Florenz wieder zu einer Provinzialstadt gemacht hätte. Peruzzi und das stets mit ihm einmüthige Municipio mußten sich die Frage vorlegen, ob man die angesangenen Bauten in Trümmern und Bruchstücken liegen lassen oder das Geplante in der begonnenen Weise zu Ende führen solle. Hätte man das Erste gewühlt, so würde die schöne Stadt auf immer entstellt worden sein, von den unzähligen Rechtsstreitigkeiten wegen der Bauverträge ganz abgesehen. Man entschloß sich, den kühneren Weg zu gehen und das Begonnene zu Ende zu führen. Florenz, da es nicht mehr Hauptstadt von Italien bleiben konnte, sollte zu einem Centrum für die Pflege der Künste und Wissenschaften, zu einem vornehmen Sammelplätze der gebildeten Welt Italiens, Europas erhoben werden. Diese Idee hat sich nur theilweise verwirklichen lassen, während die unerbittliche Finanznoth unaufhaltsam ihren Einzug in die Stadt hielt. Peruzzi selbst hat sich später des Fehlers geziehen, daß er nicht sofort nach der Verlegung der Hauptstadt nach Rom den Staat um Hülse für Florenz angegangen habe, wie ja auch Turin entschädigt worden war. Vielleicht befürchtete er, von der Regierung in seinen Plänen gestört zu werden und Florenz durch die Kärglichkeit der Entschädigung benachtheiligt zu sehen. Er beschloß, die Verantwortlichkeit aus seine Schultern zu nehmen.
Aber bald wurde sie ihm zu schwer. Alle dem Municipio zur Verfügung stehenden Kassen, die Sparkasse der Stadt und die milden Stiftungen mußten in Mitleidenschaft gezogen werden; Geld war kaum noch zu dem höchsten Zinsfüße zu haben. Da trat ein Umschwung in der politischen Konstellation des ganzen Landes ein.
Im Frühjahre 1876 hatte das Ministerium Minghetti einen Gesetzentwurf zur Verstaatlichung der italienischen Eisenbahnen eingebracht. Peruzzi, der ein Jahrzehnt an der Spitze der Verwaltung einer Bahn gestanden und dann als Bautenminister das zukünftige Eisenbahnnetz der Halbinsel entworfen hatte, war ein Gegner dieser Maßregel. Er bestimmte deshalb eine Anzahl von Abgeordneten der Rechten, namentlich toscanische Landsleute, in dieser Frage mit der Linken gegen das Ministerium zu stimmen. Dadurch kam das Ministerium der Rechten am 26. März zu Falle, und die Führer der Linken besetzten unter Depretis zum ersten Male die Ministersessel, die sie dann