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Deutsche Rundschau.
bis aus das gegenwärtige Coalitionsministerium Rudini in wechselnder Folge behauptet haben. Ein Umschwung in der ganzen Verwaltung des Landes trat damit ein, herbei- gesührt durch ein Mitglied der Rechten selbst H. Das hat diese Peruzzi lange nicht verzeihen können, und die Linke ihm natürlich nicht gedankt. Man hat geglaubt, Peruzzi habe bei der verzweifelten Lage seines Gemeinwesens Versprechungen von der Linken für dieses erhalten. Die Ereignisse haben diese Auffassung Lügen gestraft. Das Ministerium der Linken kam Florenz nicht zur Hülse. Am 17. März 1878 mußte sich die Commune Florenz für insolvent erklären, und Peruzzi sein Amt als Sindaco niederlegen. Eine interimistische Regierungsverwaltung und eine Untersuchungscommission wurden eingesetzt. Anklagen und Verleumdungen regnete es setzt hageldicht auf den unglücklichen Sindaco, der seinen Namen, seine Arbeitskraft und einen großen Theil seines Vermögens seiner Vaterstadt geopfert hatte. Er blieb in bewunderungswürdiger Weise ruhigen und gefaßten Sinnes. Die Untersuchungscommission konnte ihm Wohl Fehlgriffe und Jrrthümer, aber keine irgendwie ehrenrührige Handlung Nachweisen. Als er am 15. Juni 1879 am Schluffe seiner Verteidigungsrede dem Parlamente zugerufen hatte: „Macht mit mir, was Ihr wollt, nur helft der Stadt Florenz," da verwilligte das Parlament nach zehntägiger Berathung der Stadt eine Entschädigungssumme von 49 Millionen Francs und würde eine noch weitere Summe gutgeheißm haben, wenn nicht das Ministerium sich dagegen erklärt hätte. Selbst der sparsame Q. Sella sprach sich für die Gerechtigkeit dieser Forderung aus.
Von da ab hat Peruzzi, welcher, so lange er Sindaco war, in seinem Hause in gastfreier Weise die Honneurs für die Stadt gemacht hatte, sich auf sein Familiengut nach Antella, wenige Miglien von Florenz entfernt, zurückgezogen. Er lehnte die ihm wiederholt angebotene Stelle eines Municipalmitgliedes ab. Aber er blieb doch der Vertrauensmann in dem Palazzo Vecchio, mochte der Sindaco nun Torrigani oder Guicciardini heißen. Alle humanen Bestrebungen in Florenz fanden in ihm ihren eifrigsten Führer und Förderer. Zum letzten Male trat er öffentlich hervor, als das Reiterstandbild des ersten Königs von Italien am 20. September 1890 auf dem ganz neugestalteten Mercato Vecchio von ihm mit einer Ansprache an den zweiten Herrscher der Halbinsel enthüllt wurde. Er war schon damals ein gebrochener Mann; das sonst so freundliche und kluge Auge war verschleiert und matt. Ein ganzes Jahr lang siechte er dem Tode entgegen. Als er ihn am 9. September 1891 sanft hinweggenommen hatte, und die Kunde davon aus Antella nach Florenz gekommen war, schlug sofort die alte Gemeindeglocke vom Palazzo Vecchio in Trauerintervallen an, und das sonst so heiter auf der Zinne des schlanken Thurmes flatternde Stadtbanner wurde, in Trauerflor gehüllt, auf Halbmast gehißt, um allem Volke, das zwischen Bello Squardo und Fiesole wohnt, zu verkünden, daß sein bester Bürger und treuester Freund dahingegangen sei. Allgemein war auch der Schmerz um den Todten, in dem jeder Florentiner eine echte Verkörperung seines eigensten Wesens wieder erkannte. Würdig und großartig feierlich verlief die auf öffentliche Kosten am 9. October in Santa Croce veranstaltete Leichenfeier. Alle Städte Toscanclls hatten Deputationen entsendet, Regierung und Volk Italiens waren glänzend vertreten. Als die Klänge des Requiems die hohen Hallen von Santa Croce durchtönten, war das Betpult, das man für die Wittwe des Todten hingestellt hatte, leer. In der kleinen Capelle zu Antella hielt Donna Emilia, die fast vollkommen Erblindete, die Leichenwacht an dem Sarge des geliebten Todten. Wird aber doch nicht einst der San Giovanni Giottifis in der Capelle Peruzzi auf den Sarg Ubaldino's herabblicken, wie auf den seines Vaters Vincenzo?
Jäh und heiß entbrennen die Herzen der Italiener in Liebe und Haß. Aber vor der Majestät des Todes erlischt der Haß, und es bleiben nur Liebe und Dankbarkeit. Wehe dem, der dem Andenken eines verehrten Todten zu nahe tritt. Es verlohnt sich noch in Italien für sein Vaterland und seine Heimath zu wirken.
Z An der entscheidenden Sitzung hat Peruzzi selbst nicht Theil genommen, da in diesen Tagen seine hochbetagte Mutter, eine geborne Gräfin Torrigiani, starb.