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Deutsche Rundschau.
Beide, um nach wenigen Abenden wieder von den Brettern zu verschwinden, aus denen sie nie hätten erscheinen sollen. Hans Olden ist ein verständiger und geschickter Schauspieler-Schriftsteller; sein Schauspiel „Ilse", das im Berliner Theater, das Lustspiel „Die Geigenfee", das im Lessing-Theater dargestellt wurde, haben seine Findigkeit in der Neubearbeitung bekannter theatralischer Effecte, und fein Bemühen, Vorfälle und Richtungen, Fragen und Probleme des modernen Lebens dramatisch zu gestalten, wenn nicht erfolgreich, doch anerkennenswertst bewiesen. Er ist kein Pfadfinder, sondern ein Anempfinder. Schade, daß man in dem Schauspiele „Der Glückstifter" die Vorlagen zu deutlich erkennt und an der Kraft der Originale die Schwäche der Nachahmung ermißt. In Zola's Drama „Therese Raquin" fand Olden einen psychologisch anziehenden Vorwurf: zwei Liebende, die in Haß und Wuth gegen einander entbrennen, nachdem sie den Dritten, der ihrem Glück und ihrer Vereinigung entgegenstand, Theresens Gatten, gewaltsam aus ihrem Wege entfernt haben; in Dostojewskis Roman „Verbrechen und Strafe" zog ihn die scharfsinnige und geistreiche Weise an, in der Porphyrius der Richter in dem von unbestimmter Furcht und dunkler Reue gefolterten Raskolnikow das Gewissen und damit das Geständniß des Mordes erweckt. Er versuchte, beide Momente mit einander zu verstechten und dem Verbrechen eine Art Entschuldigung zu geben, indem er den Helden den Mord aus dem einzigen Grunde begehen läßt, dadurch das Glück eines schwärmerisch geliebten Bruders zu gründen. Nach siebenjähriger Abwesenheit ist Walter Soltau aus Südafrika als berühmter Mann, Reisender, Forscher, Goldminenentdecker heimgekehrt. Schlechter Streiche wegen hat er Europa verlassen müssen, sein älterer Bruder hat ihn damals beschützt und gerettet. Jetzt trifft er ihn tief unglücklich in den Banden der Liebesleidenschaft; Anna ist die Gattin eines gewissenlosen Börsenspeculanten Lindeuberg, und Hermann vermag sich in seiner Schwäche zu keinem Entschlüsse, weder die Geliebte aufzugeben noch zu erobern, aufzuschwingen. Auch Walter weiß mit alll seiner Rücksichtslosigkeit und Verwegenheit keinen Ausweg aus dem Labyrinth, als ihm zu seinem Unglück Lindenberg begegnet. Der Schuft macht ihm einen nichtswürdigen Vorschlag: Walter soll die Expedition, die er in das Innere Afrikas führen will, absichtlich dein Verderben aussetzen, damit die Actien der Gesellschaft fallen. Dies erregt dem Afrikaner die Ehre und die Galle, und ich würde es begreiflich finden, wenn er im Jähzorn den Lumpen niederschöffe. Daß er ihn heil aus dem Hause gehen läßt, ihn begleitet und hinterrücks im Thiergarten an der Löwenbrücke tödtet, leuchtet mir weniger ein; diese That macht aus einem jähzornigen Menschen einen vorbedachten Mörder. Unangefochten entkommt Walter nach Bremen, auf das Schiff und entschwindet im dunklen Erdtheil. Drei Jahre später kehrt er, von Gewissensbissen gepeinigt, nach Berlin zurück. Hermann und Anna sind verheirathet; ein Strolch, der Lindenberg^s Leiche beraubt hat, ist als der muthmaßliche Mörder zu lebenslänglichem Zuchthaus verurtheilt worden. Aber ein gewisser Franzius, ein Staatsanwalt außer Diensten, ein Verwandter Annans, der sich am heftigsten ihrer zweiten Ehe widersetzt hat, ahnt längst, man weiß weder woher noch warum, den wahren Schuldigen und stellt bei einem Feste sein armes Opfer. Denn Walter, der im ersten Acte als der richtige Abenteurer und Afrikaner seine Geringschätzung des Menschenlebens erklärte, ist im dritten der gebrochene Sünder; statt die aufdringlichen Fragen des alten Schleichers kurzweg abzuweisen, verrätst er sich durch seine Unsicherheit, sein aufbrausendes Wesen, seine schlotternden Kniee, und als er nun erfährt, daß die beiden Menschen, die er in tstörichter Vermessenheit durch eine Gewaltthat glücklich zu machen versuchte, durch sie tief unglücklich, ja einander verhaßt geworden sind, erschießt er sich selbst: er büßt mit seinem Tode die Anmaßung, der Vorsehung ins Handwerk pfuschen zu wollen. Daß wir es nicht mit einem geschlossenen Drama, sondern mit einer dramatisirten Kriminalgeschichte zu thun haben, gibt der Verfasser selbst zu, indem er schon auf dem Theaterzettel verkündigt: zwischen dem zweiten und dritten Aufzug liegt ein Zeitraum von drei Jahren. Hinter der Scene läßt er alle Umwandlungen der Charaktere sich vollziehen, die er zu der Lösung seines Problems braucht: der Gewiffenswurm muß Walter in der Mitte Afrikas