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Deutsche Rundschau.
Tochter, des Kampfes zwischen dem Vater und dem Richter, des Sieges des Vaters und der Rettung der Tochter; und die Verwässerung dieser Austritte durch Einschiebsel, Erzählungen und Episoden nimmt der ursprünglichen Spannung und Originalität in ihnen Kraft und Würze. Noch trübseliger und undramatischer erwies sich am Sonnabend, den 10. October ein Schauspiel in drei Auszügen von Gustav Schwarzkops und C. Karlweis „Eine Geldheirath". Franzos wußte seiner Handlung wenigstens in ihrem Kern eine seste Geschlossenheit zu geben, die Verfasser der „Geldheirath" sind in der Erzählung stecken geblieben. Jeder ihrer drei Acte ist ein Stück für sich, zwischen dem ersten und zweiten Acte liegen zwei Jahre, zwischen dem zweiten und dritten Monate. Innerhalb dieser Zwischenräume wandeln sich nicht nur die Charaktere der Figuren und ihre wirthschastlichen Verhältnisse zum Schlimmeren, sondern erben arme Schlucker Millionen und heirathen Backfische herabgekommene Grafen. Ein junger Advocat, der durch einige glücklich geführte Proeesse bekannt geworden ist, läßt durch einen Vermittler um die Tochter eines reichen Fabrikanten und Geldmannes anhalten: er hofft durch eine Geldheirath sich eine Kanzlei einrichten und Ruf und Ansehen im Fluge erwerben zu können. Die Eltern und das Mädchen gehen ohne Zögern aus den Vorschlag ein. Camilla will in der Gesellschaft glänzen, ein großes Haus machen, sich als reiche Dame aufspielen; zu spät erkennt der thörichte Wardegg ihre schlechten Eigenschaften. Oder besser, die Autoren malen Camilla's Charakter, weil sie es so brauchen, immer mehr ins Schwarze und machen aus der verschwenderischen und leichtsinnigen Frau eine herzlose Kokette, eine freche Ehebrecherin. Der Mann, der nicht klug und tapfer genug war, sie zu einer ernsteren Lebensführung zu bestimmen oder sich bei Zeiten von ihr zu trennen, geräth in Schulden und Mißachtung, da die Welt annimmt, daß er um das Verhältniß seiner Frau zu einem reichen Gecken, der früher in dem Hause ihres Vaters als Buchhalter beschäftigt war und dann hinter der Scene eine unermeßliche Erbschaft gemacht hat, wisse: bei der moralischen Schwäche Wardegcffs wäre es das Natürlichste, daß er sich durch einen Revolverschuß aus der Unerträglichkeit seiner Lage befreite, aber er besinnt sich noch zur rechten Zeit, daß er für sein Kind leben müsse, und ein humoristischer Freund, ein Arzt, der sich nach Hangen und Bangen endlich mit seiner Geliebten, einer lustigen Stickerin, verheirathet hat, gibt ihm den guten Rath, sich von seiner Gattin scheiden zu lassen: ein Ausweg, der sich freilich nach dem Ehestandssammer, dem Bankrutt und den Verzweiflungsscenen philisterhaft genug ausnimmt. Der Nichtigkeit der Fabel entspricht die Flachheit der Charakteristik, dem unbedeutenden Inhalt die Dürftigkeit der Sprache. Das Tragische des Problems, wenn sie einmal in einer Geldheirath den Keim einer Tragödie zu finden glaubten, haben die Verfasser nicht einmal gestreift. Denn dies würde doch darin zu suchen sein, daß die Ehe in ihrem Wesen durch die schnöde Habsucht des Mannes und durch die Gefühllosigkeit des Weibes, das sich hingibt, obgleich sie nicht um ihrer Persönlichkeit, sondern um ihrer Mitgift willen geheirathet wird, von vornherein vergiftet ist und dies Gift beständig weiter frißt; die Verschwendungssucht und der Ehebruch Camilla's sind ebensowenig wie die Schwach- köpfigkeit Wardegg^s nothwendige Folgen einer Geldheirath.
Mit einem stärkeren dramatischen Talent, so weit es sich um das Handwerksmäßige der Kunst, den Ausbau, die Führung und die Steigerung der Semen handelt, machte uns die Aufführung eines Schauspiels in vier Auszügen „Satissaction" am Mittwoch den 18. November bekannt. Alexander Baron von Roberts, der Verfasser, ist durch einige wohlgelungene Erzählungen, in denen glückliche Erfindung, malerische Schilderung der Umgebung und lebenswahre Entwicklung der Charaktere sich vereinigen, zu Ruf und Ansehen in unserer Literatur gekommen. „Satissaction" ist sein erster dramatischer Versuch, und man merkt in den beiden ersten trefflich geführten Acten dem Stücke nicht an, daß es aus einer Erzählung des Autors erwachsen ist. Leider fehlt dem Inhalt die Klarheit und die Originalität, um die Theilnahme der Zuschauer zu fesseln. Die leidige Duellfrage wird wieder einmal zu einem tragischen Motiv gestempelt. Damit rückt das Schauspiel schon im