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Deutsche Rundschau.
heroischen Erinnerungsdaseins geblieben, seine Distichen haben niemals hell zu tönen ausgehört; Schlegel gehört zu Denen, die eine literarische Auferstehung zu erleben beginnen. Es war Zeit. Als einer der kunstvollsten Meister, die in deutscher Sprache dichteten, schließt August Wilhelm Schlegel sich an Goethe und an die Poeten des Alterthums an.
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Der Titel hat etwas von einer Sentenz: „Lebe um zu lieben, denn das Leben ist kurz." Lieben ist in dieser Novelle die einfache, bürgerliche, heftige Zuneigung zweier jungen Leute, die sich sehen, lieben, heirathen und glücklich werden. Das kleine Stück hat keine Jntrigue, keine Spannung, es ist eine sonnige, kleine Sonate, wie Mozart sie schreibt, mit gerade so viel Leidenschaft als die einfache Kunstform verträgt. Sie spielt am Ufer des Mittelländischen Meeres, des Dichters Vaterlande, und in Alles, was an der Küste geschieht, tönt der Gesang der Wellen hinein. Und zwar als keine seltsame, sondern als die natürlichste Melodie.
Salvatore hat zwei Eigenschaften, die seinen Werken Reiz geben. Erstens, er operirt mit rein menschlichen, Jedem verständlichen Gefühlen, die er in ungebrochenen Farbentönen darstellt. Kein trübendes Element fließt hinein. Auch wo die Dinge unglücklich, böse, schrecklich verlausen, wird das Traurige nie mit trüben Tönen gemalt. Er blickt den Menschen und Ereignissen klar ins Auge. Dies erfüllt den Leser mit Vertrauen. Er weiß, daß, wenn er sein Herz öffnet, der Dichter dieses Zutrauen nicht mißbraucht. Zweitens aber, Farina schildert die Dinge nicht direct, sondern läßt sie irgendwo sich spiegeln, so daß der Leser selber erst sie zum ersten Male zu erleben glaubt. Der Dichter gibt ihm nicht einen Blumenstrauß in die Hand, sondern deutet dahin und dorthin: da stehen Blumen, scheint er zu sagen, pflücke sie.
Uebrigens sind die beiden weiblichen Hauptpersonen der Novelle Berlinerinnen. Wohl das erste Paar dieser Herkunft, das in der erzählenden italienischen Literatur zum Vorschein kommt. Ein reizendes junges Mädchen und eine in die Jahre geratene, tiesempfindende Erzieherin.
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L 6o., Lnblisbors. 1891.
Hermann und Dorothea ist das einzige Gedicht, das Goethe als beabsichtigtes Kunstwerk gleich fertig Hervorbringen wollte. Die Arbeit eines, wenn das Wort erlaubt ist, gelernten Dichters. Keine seiner Seele sich abringende Consession, nichts, dessen Ende ihm selbst noch unbekannt war, als er begann, sondern das abgerundete, fertige Product eines dichtenden Mannes, der das Höchste zu leisten sich fähig fühlte und leistete. Durch gleichmäßigen, ruhigen, milden Tonsall zeichnet es sich vor seinen übrigen Gedichten aus. Als würdiger Schüler Homerts hat Goethe hier Etwas geschaffen, das sich an seines Meisters Schöpfungen anschließt. Wir hören von ferne neben diesen Hexametern her die sanften Verse der Odyssee rollen, beide Epen Verherrlichungen des häuslichen Glückes, der einfachen, zarten und zugleich unerschütterlich festen Gefühle und Gedanken, aus denen die ewige Grundlage glücklichen Volkslebens besteht. Dieses Werk muß deutlicher als sogar Faust vielleicht fremden Nationen zeigen, was Goethe zu leisten im Stande war. Versuche, ihn zu übertragen, werden mit Hermann und Dorothea am liebsten gemacht.