Literarische Notizen.
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unserem Simplicissimus zurück; dafür ist aber der Standpunkt ein ungleich höherer. Barclay ist ein gewiegter Politiker, und man wird durch seine Ürtheile über Usinulca, d. h. Calvinus, und die Hyperephanier, die Hugenotten, eingeführt in die Anschauungen, die am Hofe Jacob's I. die herrschenden gewesen fein werden. Unmittelbare Unterhaltung wird in einem allegorischen Romane des siebzehnten Jahrhunderts Niemand suchen; den historisch Gebildeten aber werden die Räthsel, die das Buch aufgibt, geistig beschäftigen und die eingestreuten politischen Betrachtungen, denen Staatsmänner wie Richelieu, Hugo Grotius und Leibnitz Beachtung schenkten, verdienen auch heute noch gelesen zu werden. Die Uebersetzung ist trefflich gerathen, was namentlich von den zahlreichen poetischen Stellen gilt. Der Herr Uebersetzer hat durch sein Werk sich den Dank Aller verdient, die sich für Geschichte interessiren und denen ohne ihn dieses merkwürdige Werk schwerlich je zur Hand gekommen wäre.
Max Lenz. Briefwechsel Landgraf Phi- livp's des Großmüthigen von Hessen mit Bucer. Dritter Theil. Leipzig, S. Hirzel. 1891.
Wir haben im Februarheft der „Deutschen Rundschau" vom Jahre 1890 die beiden ersten Bände dieses wichtigen Quellenwerkes angezeigt und die Bedeutung der darin aufgespeicherten historischen Schätze dargelegt. Der dritte und letzte Band schließt sich den Vorgängern würdig an. Er enthält freilich keine vollkommen neuen Aufschlüsse über die Jahre 1541—1546; was wir hier lesen, davon hatten wir in den Hauptzügen bisher schon einige Kunde. Aber wohl verstanden: auch nur in den Hauptzügen. Heber die Einzelheiten ergießt sich eine geradezu verschwenderische Fülle von neuem Licht, so daß wir diese verhängnißvolle Zeit nunmehr doch ganz anders und viel besser erkennen, als dies vorher der Fall war. Briefe von Bucer enthält dieser dritte Band nicht mehr; dafür bietet er eine Menge von Briefen und Acten, welche der früher mitgetheilten Correspondenz des Landgrafen mit dem Straßburger Theologen zur Seite gehen und dieselbe nach allen Beziehungen ergänzen. Wir erhalten u. A. die Urschrift des von Lenz schon im zweiten Band ganz neu beleuchteten sog. „Regensburger Buches", aus Grund dessen die bekannten Äusgleichsverhand- lungen zwischen Alt- und Neugläubigen auf dem Regensburger Reichstag des Jahres 1541 stattgefunden haben, und ebenso das Original des Geheimvertrags vom 13. Juni 1541, durch welchen Karl V. dem Landgrafen von Hessen die Hände band und für sich selbst die Möglichkeit gewann, den Herzog von Cleve niederzuwerfen und die Franzosen in ihrem eigenen Lande zu überziehen. Den Hauptraum nehmen aber die umfassenden Berichte des Augsburger Arztes I)r. Gereon Sailer ein, welche sich von 1541—1547 erstrecken und in welchen eine lange Reihe der interessantesten Augenblicksaufnahmen der jeweiligen politischen Lage enthalten sind, von denen Lenz mit Recht sagt, daß wir etwas Ähnliches bisher nicht besessen haben. Sailer verfocht namentlich den Gedanken eines politischen Bündnisses zwischen
Sachsen, Hessen und Bayern gegen den Kaiser und dessen Bruder, König Ferdinand, und fand dabei in München viel Entgegenkommen: Herzog Wilhelm und sein Kanzler Leonhard von Eck erkannten die Gefahr sehr wohl, welche „der deutschen Libertät" vom Haus Habsburg drohte, das die Reichsfürsten „elender denn die Waschen (Paschas) unter den Türken" machen wollte; aber die Verhandlungen führten zu keinem Ziel weil Bayern sich nicht schriftlich zur Preisgabe Heinrich's von Braunschweig verpflichten wollte, sondern darauf drang, daß dieReligionsfrage vom Bündniß ausgeschieden und die Erhaltung der katholischen Kirche da, wo sie noch bestand, gewährleistet werde. Philipp aber nahm Anstand, sich in einen „Partikularoertrag" mit Bayern einzulassen, durch welchen er leicht vom Bunde mit seinen Glaubensgenossen abgedrängt werden konnte. Schließlich erhob Herzog Wilhelm noch die Forderung, daß ihm bei seinem Versuche, die wittelsbachische Kurstimme für Bayern zu gewinnen, gegen die Pfalzgrafen Friedrich und Otto Heinrich Hülse geleistet werde. Als sich die Protestanten diesen Wunsch versagten, schloß er im Juni 1546 mit dem Kaiser ab, ohne daß er aber deshalb den Faden seiner Beziehungen zu den Schmalkaldenern ganz abgerissen hätte. Den Schluß der Mittheilungen bildet der interessante Briefwechsel des Landgrafen mit dem Augsburger Stadtschreiber Georg Frölich 1539 bis 1554.
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Ein SchülerMonod's, Fustel's de Coulanges und L. Gautier's versucht hier eine im großen Stil gehaltene Darlegung, wie das Wahlprincip in der französischen Kirche innerhalb dreier Jahrhunderte sich gestaltete. Ursprünglich wurden in der christlichen Kirche alle Bischöfe von der gesammten Gemeinde gewählt, so daß das Haupt der aeelssiL auch ihr Vertrauensmann war. Im vierten Jahrhundert vollzieht sich unter dem Einfluß der Vereinigung der Kirche mit der Stadt und des gallisch-römischen Muni- cipalwesens eine bedeutsame Veränderung: die Wählerschaft beschränkt sich auf die Geistlichen, auf die Mitglieder der senatorialen Aristokratie, die einflußreichen Männer der mittleren Klassen. Doch wurde die alte Regel einstimmiger Wahl festgehalten, und die Eunonos oder Kapitularien betrachten die Wahl immer noch als Werk der ganzen Kirche, deren gesammte Mitglieder persönlich zugegen oder doch vertreten sind. Im 13. Jahrhundert aber steht es nicht mehr so, Volk, Laien, Landgeistliche, Mönche — alles ist vom Wahlrecht ausgeschlossen, und dieses kommt allein den Domkapiteln zu, was das Lateran- concil von 1215 dann indirect bestätigt hat. Wenn nun die Domkapitel selbst aus Wahlen hervorgegangen wären, so hätten sie immer noch den Anspruch erheben können, die Kirche zu vertreten; allein da sie entweder vom Bischof ernannt wurden oder sich selbst ergänzten, so ist mit ihrer alleinigen Berechtigung der alte Grundsatz total aufgehoben: „Wer allen befehlen will, der muß von allen gewählt sein." Der Ver-