Heft 
(1892) 70
Seite
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Deutsche Rundschau.

fasser setzt sich nun die Ausgabe, nachzuweisen, wie zwischen 814 und 1100 sich dieser tiefgreifende Wechsel vollzogen hat; in lichtvoller, gediegener, wissenschaftlich gereifter Darstellung folgt er den Umgestaltungen, welche das Wahlrecht unter dem Einfluß des Feudalismus erlitten hat (wo der Satz gilt: null« sZIiss sans ssignsur), und ent­wickelt die gregorianische Reaktion, welche das Wahlrecht herstellt, aber auch den überraschen­den Ausgang, vermöge dessen die Domkapitel, in deren Kirche die Wahl sich vollzieht, diese zuletzt vorbereiten, dann allein an sich bringen. Dieser Zustand währte bis zum Concordat von 1516; damals trat die königliche Ernennung an Stelle der Kapitelwahl, die päpstliche Ein­setzung an Stelle der Bestätigung durch den Metropoliten, und so steht die Sache trotz aller Gegenströmungen heute noch. Es scheint uns, als ob Herr Jmbart de la Tour eine wichtige und folgenreiche historischeEntwicklung in vorzüg­licher Weise gelöst habe. Manche falsche Vorstellung, so die, als ob die Kirche ursprünglich demokratisch organisirt gewesen sei (was man 1791 annahm), weist er mit glücklicher Polemik ab: dis Kirche ruht auf dem Glauben an Gott und seine Autorität; sie ist nicht individualistisch; sie kennt kein Abstimmen nach Köpfen, sondern nach Grup­pen von Mönchen, Geistlichen und Laien; die Wahl bezeichnet stets nur die Person, überträgt niemals Rechte, die von vornherein fortbestehen.

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1793 5. Nai 1793). Daris, Imxrimsris nationale NV66OX0.

Die Geschichte des Wohlfahrtsausschusses (eomits äs salut puOIie) wird gewöhnlich mit einem der zahlreichen Kapitel identificirt, in welche sie zerfällt. In Wahrheit hat dieser Ausschuß vor und nach der Schreckenszeit, durch welche er berühmt oder berüchtigt ge­worden, bestanden und vier durchaus ver­schiedene Phasen durchlaufen.

Die erste und unbedeutendste derselben begreift die Tage vom 25. März bis zum 6. April 1793, während welcher daseomits" fünfund­zwanzig Mitglieder umfaßte und zwei gleich einflußreiche Körperschaften, das eomits äs ästsuss Zsusrals und den eoussil sxseutit' pro- visoirs zur Seite hatte. Die zweite Phase beginnt am 6. April 1793, wo der Ausschuß zur obersten Bewachungs- und Regierungsbe­hörde des Staats gemacht, mit fast unbe­schränkten Vollmachten ausgestattet und rück­sichtlich seiner Zusammensetzung auf die Zahl neun (monatlich zu wählende) Mitglieder be­schränkt wurde. Die diesem umgestalteten Aus­schüsse zugedachte Aufgabe hat in den vorstehen­den, am Tage der Einsetzung von Marat ge­sprochenen Worten die charakteristische Formel erhalten:Zeitweilig muß der Despotis­mus der Freiheit eingerichtet werden, um den Despotismus der Könige zu vernichten." Zur vollen Wahrheit wurde dieses entsetzliche Wort erst seit dem 27. Juli (1793), an welchem Robespierre in den Ausschuß trat und dessen dritte, bluttriefende Periode

eröffnete. Diese Periode umfaßt genau ein Jahr: am ersten Jahrestage seiner Erwählung (dem 9. Thermidor des I. II) wurde Robes- pierre gestürzt und fast unmittelbar darauf eine Neubesetzung der furchtbaren Körperschaft vorgenommen, bei welcher dis Sieger vom 27. Juli (die sog. Thermidorianer) den Löwenantheil er­hielten. Die vierte, gleichfalls ein Jahr an­dauernde Periode war diejenige beständiger Macht­verminderung und Zersetzung des weiland all­mächtigen Ausschusses und der in ihm concen- trirten revolutionären Energie (August 1794 bis August 1795).

Die vorliegende, außerordentlich interessante und mit minutiöser Sorgfalt hergestellte Publi­kation (648 Folioseiten) hat es mit den fünf letzten Tagen der ersten und den vier ersten Wochen der zweiten Periode zu thun. Die Ausschußprotokolle sind ihrem Wortlaute nach, die Berichte der von dem Convent entsendeten Com­missarien zum einen Theil wörtlich, zum andern Theile (d. h. wo es sich um Angelegenheiten von untergeordneter Bedeutung handelt) auszüglich wiedergegeben und, wo erforderlich, durch zweck­mäßige Anmerkungen erläutert.

Mit dem Vorstehenden ist zugleich gesagt, daß der Leser nicht in die eigentliche Schreckens­zeit, sondern so zu sagen in die Vorhöfe derselben eingeführt wird. Dietsrrsur" im engeren Sinns des Wortes beginnt mit dem Sturz der Gironde und der Proscription ihrer Mitglieder (81. Mai und 2. Juni) und gelangt zu vollem Ausdruck erst, nachdem Saint-Just und Robespierre dem Ausschuß beigetreten und als Bekämpfer girondistischer Erhebungsversuche zu Herren der Situation gemacht worden waren, d. h. jenseit des Zeitabschnitts, welchem der vorliegende Theil des wichtigen Quellenwerks gewidmet ist. Die zunehmende Erhitzung und Verbitterung der Gemüther läßt sich übrigens schon auf den Blättern des dritten Bandes ver­folgen, der durch die (vielfach zum ersten Male publicirten) Berichte der in die Departements entsendeten Commissarien die charakteristische Be­deutung erhält. Unter den während der Monate April und Mai dem Wohlfahrts-Ausschusse an- gehörigen Conventsmitgliedern waren Barsre und Robert Lindet die Einzigen, welche in die Periode der VorherrschaftRobespierre's und Saint-Just's hinübergenommen wurden. Die beiden hervor­ragendsten Männer unter den übrigen Genossen unseres Zeitabschnitts waren Danton, in der Folge das vornehmste Opfer des von dem Aus­schuß geübten furchtbaren Despotismus, und der als Organisator des französischen Staats­schuldbuchs bekannt gewordene Finanzmann Cambon, seit dem Frühjahr 1794 Robes- pierre's Todfeind und einer der Urheber seines jähen Sturzes.

)k. Kranes psnäniit In rsvolntioii.

Dar 1s vicomts äs Droe. Daris, Dion st

Xourrit. 1891.

Die literarische Bewegung, welche durch die Jahrhundertfeier der Revolution in Frankreich hervorgerufen worden ist, hat ihr Ende noch nicht erreicht, und den Verherrlichungen der Revolution setzt sich eine Anzahl von Schriften conservativer Männer entgegen, unter denen