Heft 
(1892) 70
Seite
184
Einzelbild herunterladen

184

Deutsche Rundschau.

Lizzi gibt sich die größte Mühe."

Nun, dann will ich Dir Deinen Wunsch auch erfüllen, Lizzi. Lade Dir die kleine Felgentreu zu heute Nachmittag ein. Aber natürlich erst die Schularbeiten . . . Und jetzt kannst Du, wenn Fräulein Wulften es erlaubt (diese verbeugte sich), im Garten spazieren gehen, überall wo Du willst, nur nicht nach dem Hof zu, wo die Bretter über der Kalkgrube liegen. Otto, Du solltest das ändern; die Bretter sind ohnehin so morsch."

Lizzi war glücklich, eine Stunde frei zu haben, und nachdem sie der Mama die Hand geküßt und noch die Warnung, sich vor der Wassertonne zu hüten, mit auf den Weg gekriegt hatte, brachen das Fräulein und Lizzi auf, und das Elternpaar blickte dem Kinde nach, das sich noch ein paar Mal umsah und dankbar der Mutter zunickte.

Eigentlich," sagte diese,hätte ich Lizzi gern hier behalten und eine Seite Englisch mit ihr gelesen; die Wulften versteht es nicht und hat eine erbärmliche Aussprache, so lo^v, so vulgär. Aber ich bin gezwungen, es bis morgen zu lassen, denn wir müssen das Gespräch durchaus zu Ende bringen. Ich sage nicht gern Etwas gegen Deine Eltern, denn ich Weiß, daß es sich nicht schickt, und weiß auch, daß es Dich bei Deinem eigentümlich starren Charakter (Otto lächelte) nur noch in dieser Deiner Starrheit bestärken wird; aber man darf die Schick­lichkeitsfragen, ebenso wie die Klugheitsfragen, nicht über Alles stellen. Und das thäte ich, wenn ich länger schwiege. Die Haltung Deiner Eltern ist in dieser Frage geradezu kränkend für mich und fast mehr noch für meine Familie. Denn, sei mir nicht böse, Otto, aber wer sind am Ende die Treibel's? Es ist mißlich, solche Dinge zu berühren, und ich würde mich hüten, es zu thun, wenn Du mich nicht geradezu zwängest, zwischen unsren Familien abzuwägen."

Otto schwieg und ließ den Theelöffel auf seinem Zeigefinger balanciren, Helene aber fuhr fort:Die Munk's sind ursprünglich dänisch, und ein Zweig, Wie Du recht gut weißt, ist unter König Christian gegraft worden. Als Ham­burgerin und Tochter einer Freien Stadt will ich nicht viel davon machen, aber es ist doch immerhin was. Und nun gar von meiner Mutter Seite! Die Thompson's sind eine Syndikatsfamilie. Du thust, als ob das nichts sei. Gut, es mag auf sich beruhen, und nur so viel möcht' ich Dir noch sagen dürfen, unsre Schiffe gingen schon nach Messina, als Deine Mutter noch in dem Apfelsinen­laden spielte, draus Dein Vater sie hervorgeholt hat. Material- und Colonial- waaren. Ihr nennt das hier auch Kaufmann ... ich sage nicht Du . . . aber Kaufmann und Kaufmann ist ein Unterschied."

Otto ließ Alles über sich ergehen und sah den Garten hinunter, wo Lizzi Fangball spielte.

Hast Du noch überhaupt vor, Otto, auf das, was ich sagte, mir zu ant­worten?"

Am liebsten nein, liebe Helene. Wozu auch? Du kannst doch nicht von mir verlangen, daß ich in dieser Sache Deiner Meinung bin, und wenn ich es nicht bin und das ausspreche, so reize ich Dich nur noch mehr. Ich finde, daß Du doch mehr forderst, als Du fordern solltest. Meine Mutter ist von großer Aufmerksamkeit gegen Dich und hat Dir noch gestern einen Beweis davon