Frau Jenny Treibel.
185
gegeben; denn ich bezweifle sehr, daß ihr das unsrem Gast zu Ehren gegebene Diner besonders zu paß kam. Du weißt außerdem, daß sie sparsam ist, wenn es nicht ihre Person gilt."
„Sparsam," lachte Helene.
„Nenn' es Geiz; mir gleich. Sie läßt es aber trotzdem nie an Aufmerksamkeiten fehlen, und wenn die Geburtstage da sind, so sind auch ihre Geschenke da. Das stimmt Dich aber Alles nicht um, im Gegentheil, Du wächst in Deiner beständigen Auflehnung gegen die Mama und das Alles nur, weil sie Dir durch ihre Haltung zu verstehen gibt, daß das, was Papa die „Hamburgerei" nennt, nicht das Höchste in der Welt ist, und daß der liebe Gott seine Welt nicht um der Munk's Willen geschaffen hat . . ."
„Sprichst Du das Deiner Mutter nach, oder thust Du von Deinem Eignen noch 'was hinzu? Fast klingt es so; Deine Stimme zittert ja beinah."
„Helene, wenn Du willst, daß wir die Sache ruhig durchsprechen und Alles in Billigkeit und mit Rücksicht für hüben und drüben abwägen, so darfst Du nicht beständig Oel ins Feuer gießen. Du bist so gereizt gegen die Mama, weil sie Deine Anspielungen nicht verstehen will und keine Miene macht, Hildegard einzuladen. Darin hast Du aber Unrecht. Soll das Ganze bloß etwas Geschwisterliches sein, so muß die Schwester die Schwester einladen; das ist dann eine Sache, mit der meine Mama herzlich wenig zu thun hat . . ."
„Sehr schmeichelhaft für Hildegard und auch für mich . . ."
„. . . Soll aber ein andrer Plan damit verfolgt werden, und Du hast
mir zugestanden, daß dies der Fall ist, so muß das, so wünschenswerth solche
zweite Familienverbindung ganz unzweifelhaft auch für die Treibel's sein würde, so muß das unter Verhältnissen geschehen, die den Charakter des Natürlichen und Ungezwungenen haben. Lädst Du Hildegard ein und führt das, sagen wir einen Monat später oder zwei zur Verlobung mit Leopold, so haben wir genau das, was ich den natürlichen und ungezwungenen Weg nenne; schreibt aber meine Mama den Einladungsbrief an Hildegard und spricht sie darin aus, wie glücklich sie sein würde, die Schwester ihrer lieben Helene recht, recht lange
bei sich zu sehen und sich des Glücks der Geschwister mitfreuen zu können, so
drückt sich darin ziemlich unverblümt eine Huldigung und ein aufrichtiges sich Bemühen um Deine Schwester Hildegard aus, und das will die Firma Treibel vermeiden."
„Und das billigst Du?"
.Ja."
„Nun, das ist wenigstens deutlich. Aber weil es deutlich ist, darum ist es noch nicht richtig. Alles, wenn ich Dich recht verstehe, dreht sich also um die Frage, wer den ersten Schritt zu thun habe."
Otto nickte.
„Nun, wenn dem so ist, warum wollen die Treibel's sich sträuben, diesen ersten Schritt zu thun? Warum, frage ich. So lange die Welt steht, ist der Bräutigam oder der Liebhaber der, der Wirbt ..."
„Gewiß, liebe Helene. Aber bis zum Werben sind wir noch nicht. Vorläufig handelt es sich noch um Einleitungen, um ein Brückenbauen, und dies Brückenbauen ist an denen, die das größere Interesse daran haben."