186
Deutsche Rundschau.
„Ah," lachte Helene. „Wir, die Munks . . . und das größere Interesse! Otto, das hättest Du nicht sagen sollen, nicht weil es mich und meine Familie herabsetzt, sondern weil es die^ ganze Treibelei und Dich an der Spitze mit einem Ridicül ausstattet, das dem Respect, den die Männer doch beständig beanspruchen, nicht allzu vortheilhast ist. Ja, Freund, Du forderst mich heraus, und so will ich Dir denn offen sagen, auf Eurer Seite liegt Interesse, Gewinn, Ehre. Und daß ihr das empfindet, das müßt ihr eben bezeugen, dem müßt ihr einen nicht mißzuverstehenden Ausdruck geben. Das ist der erste Schritt, von dem ich gesprochen. Und da ich 'mal bei Bekenntnissen bin, so laß mich Dir sagen, Otto, daß diese Dinge, neben ihrer ernsten und geschäftlichen Seite, doch auch noch eine persönliche Seite haben, und daß es Dir, so nehm' ich vorläufig an, nicht in den Sinn kommen kann, unsre Geschwister in ihrer äußeren Erscheinung miteinander vergleichen zu wollen. Hildegard ist eine Schönheit und gleicht ganz ihrer Großmutter Elisabeth Thompson (nach der wir ja auch unsere Lizzi getauft haben) und hat den edle einer Lady; Du hast mir das selber früher zugestanden. Und nun sieh Deinen Bruder Leopold! Er ist ein guter Mensch, der sich ein Reitpferd angeschafft hat, weil er's durchaus zwingen will, und schnallt sich nun jeden Morgen die Steigbügel so hoch wie ein Engländer. Aber es nutzt ihm nichts. Er ist und bleibt doch unter Durchschnitt, jedenfalls weitab vom Kavalier, und wenn Hildegard ihn nähme (ich fürchte, sie nimmt ihn nicht), so wäre das Wohl der einzige Weg, noch etwas wie einen perfecten Gentleman aus ihm zu machen. Und das kannst Du Deiner Mama sagen."
„Ich würde vorziehen, Du thätest es."
„Wenn man aus einem guten Hause stammt, vermeidet man Aussprachen und S eenen ..."
„Und macht sie dafür dem Manne."
„Das ist etwas Anderes."
„Ja," lachte Otto. Aber in seinem Lachen war etwas Melancholisches.
* H
Leopold Treibet, der im Geschäft seines älteren Bruders thätig war, während er im elterlichen Hause wohnte, hatte sein Jahr bei den Gardedragonern abdienen wollen, war aber, wegen zu flacher Brust, nicht angenommen worden, was die ganze Familie schwer gekränkt hatte. Treibet selbst kam schließlich drüber weg, weniger die Commerzienräthin, am wenigsten Leopold selbst, der — wie Helene bei jeder Gelegenheit und auch an diesem Morgen wieder zu betonen liebte — zur Auswetzung der Scharte wenigstens Reitstunde genommen hatte. Jeden Tag war er zwei Stunden im Sattel und machte dabei, weil er sich wirklich Mühe gab, eine ganz leidliche Figur.
Auch heute wieder, an demselben Morgen, an dem die alten und jungen Treibel's ihren Streit über dasselbe gefährliche Thema führten, hatte Leopold, ohne die geringste Ahnung davon, sowohl Veranlassung wie Mittelpunkt derartiger heikler Gespräche zu sein, seinen wie gewöhnlich aus Treptow zu gerichteten Morgenausflug angetreten und ritt, von der elterlichen Wohnung aus, die zu so früher Stunde noch wenig beliebte Köpnickerstraße hinunter, erst an seines Bruders Villa, dann an der alten Pionierkaserne vorüber. Die Kasernenuhr schlug