Frau Jenny Treidel.
189
„Nun, was ist? Sie machen ja ein ganz verlegenes Gesicht, Mützell, als ob ich was ganz Besonderes gesagt hätte."
„Ja, Herr Treibet .
„Nun, zum Donnerwetter, was ist denn los?"
„Ja, Herr Treibet, als die Frau Mama vorgestern hier waren und der ?> Herr Commerzienrath auch, und auch das Gesellschaftsfräulein, und Sie Herr
Leopold eben nach dem Sperl und dem Carouffel gegangen waren, da hat mir die Frau Mama gesagt: „Hören Sie, Mützell, ich weiß, er kommt beinahe jeden Morgen, und ich mache Sie verantwortlich . . . eine Tasse; nie mehr . . . Sauitätsrath Lohmeyer, der ja auch 'mal Ihre Frau behandelt hat, hat es mir im Vertrauen, aber doch mit allem Ernste gesagt: zwei sind Gift . ."
„So . . Und hat meine Mama vielleicht noch mehr gesagt?"
„Die Frau Commerzienräthin sagten anch noch: ,Jhr Schade soll es nicht sein, Mützell . . Ich kann nicht sagen, daß mein Sohn ein passionirter Mensch ist, er ist ein guter Mensch, ein lieber Mensch . . ? Sie verzeihen, Herr Treibet, daß ich Ihnen das Alles, was Ihre Frau Mama gesagt hat, hier so ganz simplement wiederhole . . . ,aber er hat die Kaffeepassion. Und das ist immer das Schlimme, daß die Menschen grade die Passion haben, die sie nicht haben sollen. Also Mützell, eine Tasse mag gehen, aber nicht zwei?"
Leopold hatte mit sehr getheilten Empfindungen zugehört und nicht gewußt, ob er lachen oder verdrießlich werden solle. „Nun, Mützell, dann also lassen ^ wir's; keine zweite." Und damit nahm er seinen Platz wieder ein, während sich
Mützell in seine Wartestellung an der Hausecke zurückzog.
„Da Hab' ich nun mein Leben auf einen Schlag," sagte Leopold, als er wieder allein war. „Ich habe 'mal von Einem gehört, der bei Josty, weil er so gewettet hatte, zwölf Tassen Kaffee hintereinander trank und dann todt umfiel. Aber was beweist das? Wenn ich zwölf Käsestullen esse, fall' ich auch todt um; alles Verzwölffachte tödtet einen Menschen. Aber welcher vernünftige Mensch verzwölffacht auch sein Speis und Trank. Von jedem vernünftigen Menschen muß man annehmen, daß er Unsinnigkeiten unterlassen und seine Gesundheit befragen und seinen Körper nicht zerstören wird. Wenigstens für mich kann ich einstehen. Und die gute Mama sollte Wissen, daß ich dieser Controle nicht bedarf und sollte mir diesen meinen Freund Mützell nicht so naiv zum Hüter bestellen. Aber sie muß immer die Fäden in der Hand haben, sie muß Alles bestimmen, Alles anordnen, und wenn ich eine baumwollene Jacke will, so muß es eine wollene sein."
Er machte sich nun an die Milch und mußte lächeln, als er die lange Stange mit dem schon niedergesunkenen Milchschaum in die Hand nahm. „Mein eigentliches Getränk. ,Milch der frommen Denkungsart' würde Papa sagen. ? Ach, es ist zum Aergern, Alles zum Aergern. Bevormundung, wohin ich sehe,
schlimmer als ob ich gestern meinen Einsegnungstag gehabt hätte. Helene weiß Alles besser, Otto weiß Alles besser und nun gar erst die Mama. Sie möchte mir am liebsten vorschreiben, ob ich einen blauen oder grünen Schlips und einen graden oder schrägen Scheitel tragen soll. Aber ich Will mich nicht ärgern. Die